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baren Ueberschuß von mehr als 27'/s Millionen Thaler ergeben hat. Wenn der Finanzminister vor der Erwartung einer ähnlichen Erscheinung in künftigen Jahren warnte, so hatte er den besten Grund in der Erhöhung der Ausgaben, welche theils schon für 1873 beschlossen worden, theils für 1874 von der Regierung jetzt vorgeschlagen werden. Im Uebrigen muß man sich gegenwärtig halten, daß der auf Preußen entfallende Antheil an der französischen Kriegsentschädigung auf das Resultat des Jahres 1872 insofern keinen Einfluß gehabt, als die Zahlung dieses Antheils erst seit dem Juli 1873 begonnen hat. Das günstige Resultat ist vielmehr den Ueberschüssen fast sämmtlicher Einnahmezweige zu verdanken. Ein ansehnlicher, obwol keineswegs überwiegender und nicht einmal relativ der größte Theil des Gesammt- überschusses schreibt sich aus dem Umstand her, daß Credite, welche der Staatsregierung bereits zur Verfügung gestellt waren, nicht realisirt und daher die Zinsen 'dafür unter die Ersparnisse gestellt worden sind. Aehnlich ist es mit den Besoldungserhöhungen der Betriebsverwaltungen ergangen. Zwei Dinge machen den Eindruck dieser glänzenden Finanzlage vornehmlich zu einem erfreulichen. Erstlich, daß der Finanzminister sagen konnte, daß er sich hat getrauen dürfen, aus den Staatshaushalt für 1873 mit Genehmigung des Landtags 23 Millionen Thaler mehr an Ausgaben zu setzen als für 1872, und daß diese Zuverficht so wenig getäuscht worden, daß das Jahr 1873 nicht nur allen ihm zugewiesenen Aufgaben sich gewachsen zeigen, sondern wahrscheinlich einen ansehnlichen Ueberschuß gewähren würde. Zweitens, daß die Ueberschüsse dieser beiden Jahre in der Hauptsache beruhen auf Zunahme des innern Verkehrs und Wohlstandes. Wir erwähnen noch, daß im Jahre 1873, allerdings mit Hülfe eines Theiles der französischen Kriegsentschädigung, für 80 Millionen Thaler verzinsliche Staatsschulden getilgt worden sind, und daß die Voranschläge der directen Steuern für 1874 mit Ausnahme der in diesem Jahr contingentirten Klassensteuer und mit Ausnahme der Eisenbahnsteuer sämmtlich Mehrerträge voraussetzen durften. Der Staatshaushaltsentwurf selbst für 1874 wird uns bei der Berathung im Abgeordnerenhause noch beschäftigen.
Was die Anträge und Interpellationen der Herren Ultramontanen betrifft, so habe ich oben diejenigen erwähnt, welche in dieser Woche theils zur Verhandlung, theils zur Mittheilung an das Haus durch den Präsidenten gelangt sind. Bei dem Präsidenten angemeldet ist bereits wiederum ein Antrag des Abgeordneten Schröder, die Staatsregierung aufzufordern, durch ihre Bevollmächtigten im Bundesrath auf Diäten für die Reichstagsabgeordneten hinzuwirken. Man sieht, wo die Herren vom Centrum hinauswollen. Sie wollen den ganzen Katechismus der Opposition aus der Zeit der Entzweiung zwischen Volk und Staat, wo das natürliche Bestreben der Opposition dahin
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