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llch an dem ganz abnormen Nahrungszustand derselben, in Folge dessen sie bei ihrer Ankunft so ausgehungert und unersättlich waren, daß doppelte Portionen nicht ausreichten, um ihren Hunger zu stillen. Als sie eine Zeit lang ausgefüttert waren, blieben meistens Speisen übrig. Ein Stein des Anstoßes war das Schwarzbrod, welches die Gefangenen, wenigstens so lange sie noch im Besitze mitgebrachter Geldmittel waren, meistens nicht aßen, sondern wegwarfen, weil es ihnen wirklich schlecht bekam. Als daher das sanitätltche Interesse die Berücksichtigung der Nationalgewohnheiten der Franzosen für durchaus nothwendig erachtete, wurden vom Roggenmehl durch größere Kleie- Aussonderung ein höherer Feinheitsgrad und durch Anwendung von Hefe statt Sauerteig dem Brode ein milderer Geschmack gegeben, welches dadurch dem Brode, an welches die Gefangenen in der Heimath gewöhrt waren, möglichst nahe kam. In Fällen, wo die ärztlichen Gutachten erklärten, daß auch ein derartiges feineres Brod nicht vertragen werden konnte, blieb es den Ver- pflegungs-Commisfionen überlassen, von Privatbäckern zu beschaffendes Weiß- brod' zu verabreichen, allerdings in den Grenzen des Normalpreises der reglementmäßigen Brodportion.
In den Baracken erhielt jeder Gefangene zwei Decken, ein Kopfkissen und einen Strohsack, dessen Nachfüllen mit frischem Stroh nach Bedürfniß geschah, da das für Friedenszeiten festgestellte Quantum nicht hinreichte. Das Gleiche fand in Betreff der 'Heizungsmaterialien statt, und auch für die Küchen wurde nach Bedürfniß geliefert. Bei den Bestrebungen, den sehr mangelhaften Bestand von Kleidungsstücken durch Einrichtung von Handwerksstätten und durch Vertheilung der von allen Seiten reichlich zuströmenden Liebesgaben zu verbessern, mußte'man oft die sehr traurige Erfahrung machen, daß die Gefangenen die ihnen gelieferten Sachen zu Spottpreisen verkauften, um sich dem augenblicklichen Genuß von Branntwein hingeben zu können. Nach und nach gelang es endlich durch strenge disciplinarische Maßregeln, daß jeder Mann mit zwei Hemden und einem Paar Schuhen oder Stiefeln versehen war Wenigstens sind so die Gefangenen aus den Depots nach Frankreich entlassen worden, ob sie aber so ausgerüstet in der Heimath angekommen sind, muß bei ihrer großen Genußsucht bezweifelt werden. Der Schreiber dieser Zeilen, welcher nach dem Friedensschluß einen Gefangenen-Transport nach Mohon führte, hatte große Mühe, um unterwegs an den Haltestellen Handelsgeschäfte zwischen den Franzosen und den Landbewohnern zu verhindern.
GrenMm IV. 1873.
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