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will. Wichtigeres zu thun haben kann, als eben die Sprichwörter, aus denen es besteht, an ihren gehörigen Platz zu setzen. Aus der geharnischten Abwehr Wander's gegen einige Kritiker auf Seite 27 der Vorrede geht hervor, daß auch Andere das Probeheft seines „Hausschatzes für das deutsche Volk" nicht für so unvergleichlich gehalten haben, wie er und die Schaar seiner blinden Bewunderer. Wir haben unser Urtheil zurückgehalten und Herrn Wander Zeit gelassen, den sogenannten „innern Ausbau" des deutschen Sprichwörter-Lexikons zu vollenden, um so mehr, da die Besprechung dieses Werkes mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Während nämlich jedes andere Buch, das der Oeffentlichkeit übergeben wird, einfach der lobenden oder tadelnden Kritik anheimfällt, gilt jedes Urtheil über das deutsche Sprichwörter-Lexikon für einen persönlichen Angriff aus den Verfasser, der nicht etwa mit dem Beweis der Unzulänglichkeit des betreffenden Urtheils, sondern mit Schmähungen des Recensenten und dem sentimentalen Hinweis auf die Persönlichkeit und „die 40jährige Arbeit" des Herausgebers von diesem selbst oder von einem seiner Parteigenossen beantwortet wird. Dies gibt uns den Schlüssel zu dem Räthsel, daß ein solches ohne Plan begonnenes und ohne Logik fortgesetztes Sammelwerk als „ein monumentales Nationalwerk" gepriesen werden kann. Freilich, wenn der Werth eines Buches von der Arbeitszeit, die der Verfasser daran gewandt, und von der Größe des Umfanges bedingt würde, wäre es sicherlich unübertrefflich. Aber ein Maurer kann Zeit seines Lebens mauern, ohne ein Architeet zu werden, und ein Buch kann noch soviel Bände stark sein,, ohne deshalb irgendwelchen Anspruch auf wissenschaftliche Bedeutsamkeit zu haben. Das sogenannte deutsche Sprichwörter-Lexikon ist gewachsen und gewachsen, aber trotz aller Gegenbehauptungen der ihm günstigen Recensenten unverändert so geblieben, wie es im Anfang war. Obwohl der Verfasser auf Seite XIII in seiner Vorrede zum 1. Bande ausdrücklich sagt: „Als Grundsatz gilt, daß fremde Sprichwörter nie im Text des Werkes selbst unter den deutschen mit fortlaufenden Nummern stehen sollen", finden wir doch Bd. II Seite 600 unter Nr. 4 eine polnische Redensart: „Er läuft herum wie mit der Wolfshaut um Weihnachten"; Bd. II Seite 916 unter Nr. 167 ein venetianisches Sprichwort: „Wenn der Hunger kommt ins Haus, so geht die Liebe zum Fenster hinaus", und Bd. II Seite 919 unter Nr. 14 ein tatarisches Sprichwort: „Wer ein paar Tage hat hungern müssen, dem wird auch das Fleisch eines alten Pelikans weich schmecken" als deutsche mit laufender Nummer!
Dadurch, daß die fremden Sprachen, aus denen „sinnverwandte" Sprichwörter im Original mitgetheilt werden, von 6 auf 14 steigen, wird die Con- fuston nur noch größer. Da kommen denn folgende „sinnverwandte" Stellen vor: Bd. I Seite 1S19 unter Nr. 1262: „Das Geld zum Fenster hinaus-