107
sprechenden deutschen Sprichwörter gesetzt, sondern gleich diesen mit Nummern versehen, als ob es ebenfalls deutsche Sprichwörter wären, und oft sogar ganz selbstständig ohne jeglichen Bezug auf deutsche angeführt. So finden wir z. B. auf Seite 6 unter „Aasgeier" lauter negerenglische Sprichwörter aus Surinam, auf Seite 125 unter „Arbuse" und „Archimandrit" lauter russische Sprichwörter, auf Seite 42 unter „Akansa" wiederum blos negerenglische, und fast auf jeder Seite begegnen uns ausländische Bekannte in einem oft wunderbaren deutschen, wir möchten glauben „Wander'schen" Gewände, wie: „der Appetit kommt im Essen" (S. 112), öder: „Advocatenfedern und Winzermesser schneiden gleich gut" (S. 34), ein italienisches Sprichwort, dessen Original in wörtlicher Uebersetzung lautet: „Die Feder des Advocaten ist ein Weinlesemesser". Zu besserer Belehrung des Lesers erläutert Herr Wander das Sprichworts?): „Affen und Pudel lassen sich nur einmal anführen" mit den Worten: „Die Menschen haben das Vorrecht, zeitlebens Esel zu bleiben"; und setzt auf Seite 84 unter Nr. 52: „Wohl angefangen ist halb gethan," die geistreiche Bemerkung:
„Manche Geschäfte haben eine wahre Wolfsnatur; wer sie nicht am schwachen Theile faßt, wird von ihnen zerrissen."
Auch fügt er für diejenigen seiner Leser, welche sechs fremder Sprachen
mächtig sind, bei vielen Sprichwörtern sogenannte analoge aus dem Englischen,
Französischen, Holländischen, Italienischen, Lateinischen und Ungarischen bei.
Damit ist indessen keineswegs gesagt, daß die vermeintlichen ausländischen
Parallelstellen immer am rechten Platze stehen. So lesen wir z. B. auf S. 8
neben dem deutschen „Sprichwort": „Lieber ohne Abendbrot zu Bette gehen,
als mit Schulden aufstehen", das französische: ?g.im tait älner, Msse-tewps
souper, und auf Seite 58: „Mit Alten soll man rathschlagen und mit den
Jungen fechten." italienisch: Lus veec-liio ta solcdi ärltti (Alter Ochse macht
gerade Furchen).
Herr Wander erklärt in seiner Vorrede zum 1. Bande (S. XIII), daß, wenn ein fremdes Sprichwort nicht an der rechten Stelle stehe, dies von "Nicht wesentlicher Bedeutung sei, indem er nicht die Zeit darauf verwenden könne, um immer den richtigen Platz zu finden, und gesteht in einem andern Blatte zu. daß er „die europäischen Sprachen nicht besitze." — Das Letztere glauben wir ihm auf's Wort. Sonst würde er auf Seite 49 bei „Allzuscharf" nicht abgeschrieben haben (vlämisch): ,Ms sekerx wookt scliu- aräigk«; Seite 58 unter Nr. 77: „Me z^ounZ peoxle Zrunts Ms tinz olä 8ov", und auf Seite 60 unter Nr. 42: vimllessö sst un plaisg-nt tÄräiZAu"; wir begreifen nicht recht, warum Wander überhaupt in ein deutsches Sprichwörter-Lexikon Sprichwörter aus Sprachen aufgenommen, die er nicht versteht, und was ein Autor, der ein nationales Werk schaffen