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Kruse´s Moritz von Sachsen.
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der Dichter sich zu Nutzen gemacht. Was dem Historiker versagt bleibt, des Dichters Recht ist es, derartige Sage zu anschaulicher That zu verdichten. Wir können auch hier mit Bewunderung verfolgen, wie geschickt und über­legt Kruse die Fäden seines Gewebes ausgewählt und in einander ge­schlungen hat.

Nun aber beginnt die Wendung im Leben des neuen Kurfürsten. Vor­bereitet ist sie schon in jenen gleichsam im Vorbeigehen hingestreuten Beteue­rungen seines protestantischen Glaubens. Vorbereitet ist sie auch schon durch ein an sehr passender Stelle eingeschobenes Wechselgespräch zwischen Moritz und Johann Friedrich. Der Letztere behauptet, Karl bedrohe den protestan­tischen Glauben, und auf die Einwendung, er dulde ihn doch augenscheinlich, meint er (S. 96)

Er wird schon dreister werden. Moritz: - Ei, so werd

Ich auch nicht blöde sein! Johann Friedrich: Jci, Du! Ja, Du!

Ein kleiner deutscher Fürst. Moritz: Das war ich, Oheim

Ich war zur Unbedentsamkeit verdammt.

Ein kleiner deutscher Fürst, er möchte Alles

Vorstellen, und was ist er wirklich? Nichts!

Er hält in seiner Hand statt eines Schwertes

Nur einen kleinen, lächerlichen Stumpf.

Mir ward das Kurschwert nunmehr anvertraut.

Wenn sich der Kaiser anders spüren läßt,

So werd' ich es zu schwingen wissen.

Wie gesagt, vorbereitet ist damit die jetzt eintretende Wendung. Auf dem Bankette, das Herzog Alba den deutschen Fürsten giebt, erfolgt die Gefangennahme des Landgrafen unter heftigem Proteste der Vermittler. Diese ganze Scene ist der Gipfelpunkt des Drama. Man kann es beim Lesen fühlen, wenigstens diese Scene muß, auch nur mäßig gut dargestellt, von großer Wirkung sein. Sehr gut abgestuft ist die Gegenüberstellung der deutschen Fürsten und der kaiserlichen Minister des Spaniers Alba und der Deutschen, des eifrigen Katholiken und der Protestanten. Volle Herrschaft bewährt Kruse über den Stoff auch durch die gute wirkungsvolle Steigerung des Effectes. Moritz' Verhalten ist, psychologisch angesehen, ein Meisterstück. Anfangs voll ausgesuchter Höflichkeit gegen Alba, wie es sich demjenigen ziemt, der so eben noch die Ehren des gemeinschaftlichen großes Sieges mit Alba getheilt, dann als das Gespräch eine feindliche Wendung nimmt, einen Scherz zwischen die Gegner schleudernd, sucht er, als die Katastrophe eintritt und Philipp in maß­loser Heftigkeit losbricht, ihn zu beruhigen, ihn aus der Discussion zu ent­fernen, indem er sich als den Vermittler einschiebt, in dessen Hand allein die

Lösung ruhen könne. T as kurze Gespräch zwischen Moritz und Granvella Grenzboten I. 1873. 7