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Zwecke der ultramontanen Partei immer deutlicher vom Volke erkannt und daß die Mittel derselben immer bedenklicher werden; der moralische und materielle Rückgang dieses Elementes steht für Baiern außer Frage.
Fassen wir das was in der jüngsten Zeit geschehen, im einzelnen, so müssen wir zunächst auf die Gemeinde Wahlen zurückkommen. Dieselben wurden vorgenommen, um die bestehenden Collegien zu einem Dritthcil zu ergänzen, da soviele Mitglieder nach Bestimmung des Looses aus denselben auszutreten hatten. Es ist richtig, daß dabei einige Städte (wie z. B. Amberg und Jngol- stadt) den Klerikalen in die Hände fielen; aber im Großen und Ganzen hat sich auch hier das Princip bewahrheitet, daß die Städte von jeher die Vorkämpfer der liberalen Ideen gewesen sind. An manchen Orten war auch der Zuwachs des klerikalen Elementes nur ein scheinbarer, so z. B. in München, wo im Jahre 1869 von zehn Wahlbezirken nur drei und diesmal vier der ultramontanen Partei gehörten, denn wenn man die Gesammtzahl der abgegebenen Stimmen vergleicht, so haben die Ultramontanen fast um 400 Stimmen weniger als damals aufgebracht; sie vertheilten sich nur günstiger für ihre Interessen unter den einzelnen Wahlbezirken. Zu den wichtigsten Resultaten aber, welche die jüngste Zeit ergeben hat, muß man die Verhandlungen der sogenannten Landräthe rechnen. Das Gemeindewesen gliedert sich nämlich in Baiern nach drei großen Stufen. Ueber der Ortsgemeinde welche rein lokale Bedeutung hat, steht die Distriktsgemeinde die mit dem Umfange eines Bezirksamtes zusammenfällt, und über dieser die Kreisgemeinde, welche die Interessen je einer Provinz d. h. eines Regierungsbezirkes vertritt. Als Organe derselben erscheinen eben die acht Landräthe des Königreichs. Dieselben treten einmal des Jahres zusammen; die Gegenstände welche ihrer Competenz unterliegen, sind vor allem das Unterrichtswesen, Handel, Verkehr, Gesundheitsund Armenpflege. Die Zusammensetzung aber umfaßt alle diejenigen Faktoren, die in einem großen Gemeinwesen besondere Berücksichtigung verdienen. Es ist demnach vor allem der bedeutende (landwirthschaftliche) Grundbesitz, die Industrie, die Wissenschaft, der Klerus dort versammelt, die Sitzungen werden von dem Regierungspräsidenten eröffnet und unter der Assistenz eines Regierun gscommissärs gehalten. Man kann nicht bestreiten, daß das Ergebniß bisher ein ziemlich kärgliches war und daß die ausgedehnte staatliche Curatel den Einfluß dieser Körperschaft bedeutend gemindert hat, allein das verflossene Jahr macht hievon in der That eine rühmliche Ausnahme. Nicht nur die Mitglieder fondern auch die Regierung selbst traten mit einem entschiedenen politischen Wollen in die Schranken und vom Beginne bis zum Schluß beherrschte ein kräftiger liberaler Geist die Verhandlungen.
Die Eröffnung fand am 2. December statt, ihre Dauer umfaßte ca. 14—> 16 Tage. An der Spitze der Berathungsgegenstände stand unbedingt das