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Tages abfällig über den ersten Liebhaber, der damals am Theater von Nantes wirkte. Der Director, welcher zugegen war, vertheidigte jenen und meinte, er möchte doch einmal den Herrn Kritiker an dessen Stelle sehen. Villemessant erwiderte, das solle ihm werden, und er werde die Rolle besser spielen, als der Getadelte. „Topp", sagte der Director, „und ich wette 1800 Frcs., daß Sie nicht einmal wagen werden, die Bühne zu betreten." Er wagte damit nichts, wie die Sache sich auch gestalten mochte. Ging Villemessant auf die Wette ein und ließ ihn schließlich seine Dreistigkeit im Stich, so behielt der Director Recht und bekam überdieß 1600 Frcs. Hatte Jener dagegen den Muth, auf den Brettern zu erscheinen, so verdoppelte er dadurch ohne Zweifel die Einnahme der Kasse für den Abend. Villemessant nahm die Wette an und sah sich einen Monat zur Einübung auf seine Rolle als Antenor in dem Vaudeville „Eine Leidenschaft" gewährt. Der Director ging ihm dabei gefällig und großmüthig an die Hand, that aber zugleich Alles, was in seinen Kräften stand, um die Wette unter die Leute zu bringen, so daß die Stadt mehrere Wochen in der größten Aufregung war.
Kopf an Kopf stand am Abend der Entscheidung das Publikum vor dem Theater, und kaum waren die Thüren geöffnet, so war das Haus auch schon bis zum Paradies hinauf gepfropft voll Menschen. Die Vorstellung begann mit irgend etwas, worauf Niemand Acht gab. Dann folgte das Stück, in dem Villemessant zeigen sollte, was er taugte, und jetzt mag er selbst weiter erzählen:
„Nunmehr dicht vor das Wagniß gestellt, mit dem einen Fuß schon auf den Brettern, fühlte ich, wie mir der Muth vor der drohenden Gefahr ausgehen wollte. Ein Krampf packte mich, wie Nebel und Funken fuhr mir's vor den Augen herum. Ich empfand in den Beinen das nervöse Zittern des Rekruten, der zum ersten Mal ins Feuer soll, und deutlich hörte ich das Ticktack meines Herzens, welches wie der Perpendikel einer Wanduhr schlug. Als ich den Ruf: Vorhang auf! vernahm, stockte mir all mein Blut in den Adern . . . Die Gardine hebt sich . . . Heda! Sie sind d'ran, schreit mir Einer in der Coulisse zu. Sie sind an der Reihe. Vortreten, vorwärts... Den Teufel auch, ich weiß gut genug, daß ich jetzt spielen soll! Aber Furcht und Aufregung nageln mich an die Stelle. Meine Entschlossenheit schwindet. Na denn, trete vor, wer's fertig kriegt, ich weiche nicht aus der Coulisse... Da stürzt einer meiner Freunde meuchlings auf mich los und versetzt mir einen herzhaften Stoß in den Rücken. Ich taumle drei Schritte nach vorn ... Ich stehe auf der Bühne. Ich bin richtig da . . . Ein fürchterliches Hurrah begrüßt mein Erscheinen, der ganze weite Saal zappelt und windet sich in homerischem Gelächter . . . Und wenn ich hundert Jahre alt würde, nimmermehr würde ich den Eindruck vergessen, den auf all mein Sein und Wesen der Anblick dieses