1!>8
mit einem Theil der Handlung begnügt, welcher etwa als der vornehmste erscheint. Auf diese Weise nun ist die Kunst überhaupt symbolisch im weitesten Sinn. Aber wir verstehen hier unter symbolisch etwas Engeres, Mangelhaftes. Eine Darstellungsart nämlich, welche sich an die Hauptsache der Handlung hält, mit Hinweglassung alles dessen, was die letztere verständlich und möglich macht. Grade das soll die Kunst leisten, sie soll die Züge der Handlung ergreifen, welche der Phantasie das lebendige Verständniß vermitteln, nicht aber sagen: das und das geschieht; nun denke dir das Wie, die Möglichkeit nach Kräften hinzu.
Unser Bild zeigt den triumphirenden Nebukadnezar, dem seine Königin triumphirend folgt, vor ihr schreitet der geblendete König Hiskias, die Krone, die er zum Spotte tragen muß, auf dem Haupt; unterhalb dieses Zuges plündernde'Soldaten, erschlagene Leichen, im Raube weggeführte Frauen, in der Mitte dieses Jammers der unerschütterliche Seher, mit seinem in Trauer versunkenen Freund; auf der andern Seite Männer und Frauen, die den Propheten verwünschen, weil das eingetroffen, was er vorhergesagt. Namentlich in der letzteren Gruppe sind die Frauengestalten, denen der Künstler den jüdischen Typus gelassen, bei ihrer verblendeten Wuth von erhabenem Ausdruck. Aber hat dieses Ganze nun die Wahrheit des Lebens, ist es nicht blos eine Uebertragung der symbolisirenden Sage auf die Leinwand? Daß orientalische Sieger den unterworfenen Gegner verstümmeln und dann zwingen, vor ihrem Triumphwagen einherzuschreiten, überliefert freilich die Sage und unterläßt nicht, oftmals hinzuzufügen, wie die Unglücklichen ihr Schicksal mit edler Fassung getragen. In der Wirklichkeit aber erlahmt der Uebermuth an der schnellen Wirkung der ausgeübten Qual, deren Schonungslosigkeit das Opfer nicht lange widersteht. Wie lange soll wohl ein blinder König vor schnaubenden Rossen einherwandeln? Und ist es wohl denkbar, daß beim Einzug des Triumphators noch die Leichen der Erschlagenen die Luft verpesten, daß in demselben Augenblick noch geraubt und gemordet wird? Und ist solcher Augenblick der unmittelbar andrängenden Vernichtung derjenige, wo der Weise in gedankenvolles Brüten versinkt? Die Sage bringt alle solche Züge zusammen und überläßt der Phantasie, die Zwischenglieder in auf- und untertauchenden Umrissen hinzuzufügen. Die Malerei, die sich nur der Sage anschließt, bleibt symbolisch; sie wendet sich bittend an die Phantasie, das zu ergänzen, was die Phantasie grade von der Malerei erwartet hatte.
Das Verhältniß der poetischen und der malerischen Anregung zur Phantasie wird trotz Lessing's berühmter Grenzbestimmung immer wieder mißverstanden. Einen Beweis giebt das interessante Bild von Plockhorst: der Kampf um den Leichnam Mosis. Man erinnert sich der Sage, auf die Goethe mehrmals gekommen ist, in Prosa und in Versen:
Ueber Mosis Leichnam stritten Selige mit Fluchdämonen u, s. w.
Die Sage ist hochpoetisch, aber eigentlich völlig unmalerisch. Die auf einer zeitlichen Bilderfolge hineilende Phantasie bringt das Dunkel der Nacht, in welchem der ehrwürdige Leichnam schwebt, bringt das Flammenschwert des Engels und die grauenvolle Erscheinung der Nachtdämonen zusammen. Gemalt heben sich diese Bilder und Eindrücke auf. Wir sehen einen ehrwürdigen Todten von Engeln getragen, die schöne Erscheinung eines majestätischen Engels, an dessen Schwert wir die Absicht des Malers erkennen, Flammenstrahlen von ihm ausgehen zu lassen; wir sehen auch die satanische Majestät, hinlänglich abstoßend, ohne lächerlich zu sein. Aber wo bleibt das geheimniß-