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In ähnlicher Weise springen die jesuitischen „Seelenführer" mit dem Zeugen- und Neinigungseide um. Es gibt nach ihnen Umstände, unter denen mit ruhigem Gewissen selbst vor dem Richter falsch geschworen werden kann. Für die Mitglieder der Gesellschaft Jesu ist die Sache einfach. Der Obere befiehlt, und der Untergebene schwört; denn er hat, wie wir sehen werden, kraft der Statuten des Vereins zu gehorchen „wie ein Leichnam." Andere können sich mit der „Ii,c!8trietiv mentali-z", dem „geistigen Vorbehalt" helfen, das heißt nach Gury's Definition mit jenem innerlichen Acte, „durch welchen man die Worte eines Ausspruchs auf einen anderen Sinn als den natürlichen und nächsten ablenkt oder beschränkt." Gurh fragt, ob es erlaubt sei, mit Anwendung dieses Vorbehaltes zu schwören, und antwortet: „Nein, wenn er rein geistig, anders aber bei gewichtiger Ursache, wenn er nur im weiteren Sinne ein geistiger ist." Wir untersuchen diese Subtilitäten nicht, sondern illustriren den Schwindel durch ein Beispiel.
Ein Franzose (Gallus) ist ermordet und Cajus als der Mörder eingezogen worden. In Ermangelung anderer Beweismittel ist auf den Reinigungseid erkannt. Kann Cajus ihn leisten, wenn er die That wirklich verübthat? Ohne Zweifel, antwortet der jesuitische Gewissensrath desselben. Die „gewichtige Ursache" ist vorhanden, es handelt sich um den Kopf, und die „im weiteren Sinne geistige Beschränkung" ist gleichermaßen zu beschaffen: Cajus braucht nur, wenn er schwört, in Gedanken hinter Gallus das Wort galli- imceu8 einzuschalten; dann ist Gallus nicht mehr ein Franzose, sondern ein Hahn, er hat also von einem Franzosen nichts gesagt, obwohl der Richter dies meint. Materiell ist der Eid allerdings falsch, aber nur ein Scheineid, kein Meineid, denn der Schwörende hat nur eidlich bekräftigt, keinen Hahn umgebracht zu haben.
Aehnliche Kunststücke wie hier im Lateinischen lassen sich auch im Deutschen fertig bringen. Man denke an die verschiedenen Bedeutungen von Schloß. Bock. Loge u. s. w. Und wenn sich Worte mit verschiedenen Bedeutungen nicht für jeden Fall auftreiben lassen, so wissen die Jesuiten auch für diesen Mangel Rath. Man schiebe hinter die Worte: „Ich schwöre" nur das Sätzchen „daß ich sage" in Gedanken ein, dann wird nichts als die momentan sich vollziehende Thatsache der Eidesleistung beschworen.
Diese Rathschläge wurden da. wo der Jesuitismus starken und weitgreifenden Einfluß auf die Bevölkerung gewonnen hatte, vielfach befolgt, und es kam zu einem solchen Nothstand, daß Jnnocenz der Elfte (1676 bis 1689) sich zum Einschreiten und zu einer Verurtheilung der betreffenden jesuitischen Lehrsätze bewogen fand. Die Gesellschaft nahm dies allerdings im Princip an, in der Praxis aber umging man die Entscheidung des Papstes. Der geistige Vorbehalt oder die einer Einschränkung blieb leitender Grundsatz für