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Aus Schwaben.
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den früheren Borurtheilen aufzuräumen, ihr stets im rechten Augenblicke zu Hilfe gekommen wäre.

Dies trat wieder einmal recht deutlich zu Tage bei der neulichen Kam­merdebatte über den Oesterlen'schen Antrag wegen des Erfordernisses stän­discher Zustimmung zu Verzichten auf die sogenannten Reservatrechte. Unser seit Dcbr. v. I. versammelter Landtag hatte sich bisher, zum Leidwesen gewisser schwäbischer Staatsmänner-Abgeordneten aus der Zeit des Zollparlaments, von der hohen Politik völlig fern gehalten. Ein Einführungsgesetz zum Reichs­strafgesetzbuch, ein Polizeistrafgesetz, eine Bauordnung und ein Gesetz über die Regulirung der Waidrechte, endlich die Berathung des seit zwei Jahren im Rückstand gebliebenen Etats von 1870 1873 hatten den trockenen Stoff seiner Thätigkeit gebildet, welche nur zuweilen unterbrochen wurde durch ein­same Klagerufe über den Verlust der schwäbischen Herrlichkeit von ehemals, als man im Stuttgarter Ständehaus noch über den Militäretat debattiren durfte, und wir noch nicht nach Schäffle's Ausdruck zu hegemonifirten Heloten geworden. Das gute Beispiel, welches der rasche Gang der Reichs­tagsverhandlungen gegeben hat, äußerte hierbei bereits seine Wirkungen. Zwar ist der Zopf der bisherigen Geschäftsordnung geblieben, noch immer liegt der Schwerpunkt der ständischen Thätigkeit in den Commissionen allein man fühlte doch nachgerade, daß man, ohne mißliebige Vergleichungen zwischen Stuttgart und Berlin hervorzurufen, nicht mehr in der alten Weise sortarbeiten kann, und so raffte man sich auf, und brachte endlich die Re- tardate des letzten Lustrums in rascherem Tempo zur Erledigung.

Da entschloß sich Oesterlen den langweiligen Geschäftston durch seinen Antrag zu unterbrechen und die Debatte wieder zu der entschwundenen Höhe jener glorreichen Vergangenheit emporzuschnellen. Der Versuch ist zwar gänz­lich mißlungen, nicht einmal ein theatralischer Erfolg war zu erzielen, da das Publicum, noch immer Anhänger derMacht vor Recht Politik" dem Rede­turnier nicht die geringste Theilnahme widmete.

Dennoch war die Sache nicht so schlecht berechnet, als es jetzt, nachdem Ausgang zu urtheilen, erscheinen möchte. Es ist eine Thatsache, daß die be­kannte Erklärung des Herrn von Mittnacht im Reichstag bezüglich der Re­servatrechte in Stuttgart große Bestürzung erregt hatte, zumal in denjenigen Kreisen, in welchen man die Reservatrechte der Versailler Verträge mit den Souveränitätsrechten der Krone zu verwechseln pflegt. Man sollte zwar denken, durch die Auslegung des Reichstags erhalte die fürstliche Gewalt den Ständen gegenüber eine wesentliche Steigerung, indem hiernach jede Ausdeh­nung der Reichscompetenz in das Ermessen der Einzelregierungen gestellt wird. Allein in Wirklichkeit trauen sich in Stuttgart die mit der Erklärung des Herrn v. Mittnacht unzufriedenen Elemente die zur Befolgung einer selbst-