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zu tilgen! Möge Deutschland ohne Verbündete in Rom besseren Erfolg erzielen, als im Jahre 1817 der Verwendung der verbündeten Monarchen bei dem päpstlichen Hofe beschieden war.
Fr. Schnorr v. Carolsfeld.
Dom preußischen Landtag.
Berlin, den 11. Februar 1872.
Die Landtagsverhandlungen dieser Woche haben am 5. Februar eine Berathung des Abgeordnetenhauses gebracht über die Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes, die wir übergehen dürfen. An demselben Tage begann im Herrenhaus die Berathung des wichtigen Gesetzes über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke u. s. w. In drei Sitzungen hat das Herrenhaus den Gegenstand bis zum 7. Februar zu Ende gebracht. Es wäre durchaus belohnend, auf dieses Gesetz und seine Berathung im Herrenhaus einzugehen. Wir müssen uns eine eingehende Besprechung aber bis zu dem Zeitpunkt vorbehalten, wo der in Rede stehende Gesetzentwurf an das Abgeordnetenhaus gelangt. Denn in dieser Woche nehmen die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über das Schulaufsichts- gesetz, mit anderen Worten: die Fortsetzung des Streites zwischen dem deutschen Staat und dem Ultramontanismus, die Aufmerksamkeit der politischen Kreise ausschließlich in Anspruch.
Es war am 8. Februar, wo der Entwurf des Schulaufsichtsgesetzes im Abgeordnetenhaus zur ersten Berathung, zu der sogenannten Vorberathung gelangte. Man erinnert sich, daß diesen Gesetzentwurf noch der kürzlich abgetretene Minister v. Mühler im Namen der Staatsregierung eingebracht hatte. Der jetzige Cultusminister hatte den Entwurf nicht zurückgezogen, sich aber eine freie Stellung zu einer Vorlage bewahrt, die nicht von ihm herrührte. Das Gesetz besteht nur aus zwei Paragraphen, und beim ersten Anblick wird es Jedem schwer fallen, den Anlaß principieller Kämpfe zu gewahren. Art. 23 der preußischen Verfassung bestimmt, daß alle Unterrichtsund alle Erziehungsanstalten unter der Aufsicht vom Staat ernannter Behörden stehen. Der Entwurf des neuen Schulaufsichtsgesetzes macht den Art. 23 zum actuellen Recht, was er noch nicht überall gewesen, indem der Entwurf in § 1, den Versassungsartikel wiederholend, bestimmt, daß die Aufsicht über alle Unterrichts- und Erziehungsanstalten, öffentliche wie private, dem Staate zusteht, und hinzufügt, daß alle mit dieser Aufsicht betrauten
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