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zu einer interconfessionellen Behörde. Der Minister wies darauf hin, daß man in seiner, eines Fachjuristen, Ernennung zum Cultusminister den Anfang erblicken könne zur Übertragung der Cultusangelegenheiten an das Justizministerium. Doch wollte der Minister mit dieser Aeußerung weiter nichts sagen, als daß ein Theil jener Forderung in der Ernennung eines Juristen zum Cultusminister nunmehr erfüllt sei. Er wollte nicht sagen, daß der andere Theil, nämlich der formale Uebergang der Cultusangelegenheiten an das Justizministerium, demnächst bevorstehe. Wenigstens verhielt der Minister sich widersprechend, als der Abgeordnete Windhorst aus den ministeriellen Worten diese Andeutung herauslesen wollte. Der eben genannte Abgeordnete war es, der die'Klage wegen Verletzung der Parität mit verstärktem Accent wiederholte. Er fügte die Behauptung hinzu, daß in dem seit einiger Zeit obschwebenden Streite die Katholiken der angegriffene Theil seien; man dürfe sich nicht wundern, wenn die Katholiken sich vertheidigten, denn sie seien noch nicht todt. Diese Rede, nach deren Anfang der Reichskanzler in das Haus trat, gab dem Fürsten Bismarck Anlaß zu einer jener Reden, die schon in der heutigen Geschichtsbetrachtung als Marksteine der folgenreichen Laufbahn dieses Staatsmannes ausgezeichnet werden dürfen. Der Kanzler ging zunächst auf die Klage wegen verletzter Parität ein, welche die Ankläger sämmtlich mit der größeren Zahl protestantischer Angestellten im Staatsdienst hatten beweisen wollen. Der Kanzler wies auf den Unverstand hin, wenn man aus dem. Grundsatz der Parität eine arithmetische Proportion für die Betheiligung der verschiedenen Religionsgenossenschaften an den verschiedenen Zweigen des Staatsdienstes herleiten wolle. Man kommt dann für die Räthe erster, zweiter u. s. w. Classe auf so und so yiel Procent Katholiken, Evangelische dieses und dieses Lehrbegriffs, Juden u. s. w. Ein solches Verhältniß ist nicht nur unverständig an sich, sondern auch unmittelbar verfassungswidrig, weil die Verfassung die Staatsämter unabhängig macht von dem Unterschied des religiösen Bekenntnisses.
Nach dieser schlagenden Beweisführung drang der Kanzler zum Kern der Sache vor mit der Frage: was ist die Centrumsfraction, die sich sogleich beim Zusammentritt des ersten Reichstages gebildet hat? Der Kanzler beantwortete die Frage dahin, daß er, aus Frankreich zurückkommend, die Bildung dieser Fraction nicht anders habe betrachten können, als im Lichte einer Mobilmachung der Partei gegen den Staat, d. i. gegen das eben gegründete deutsche Reich.' Die Fraction will es nicht Wort haben, daß sie einen konfessionellen Einfluß, der ihr zu Gebote steht, aufgeboten, um Mitglieder von wesentlich verschiedener Richtung der Politik in sich zu versammeln. Sie hat dann weiter allen natürlichen Feinden des deutschen Reiches, namentlich den unverbesserlichen Particularisten, zum Sammelpunkt theils gedient, theils zu dienen gesucht. Sie hat endlich in ihrer Wahlagitation überall nicht nur die Anhänger der Regierung bekämpft, sondern auch die Regierung selbst in jeder Weise verdächtigt und angefeindet. Wenn die Partei gleichwohl in quasioffi- ciellen Aeußerungen die ihren Wünschen relativ entsprechende Behandlung der katholischen Kirche durch den preußischen Staat anerkannt hat, so hat sie dies nicht gehindert, der preußischen Regierung mit allen Mitteln in den Weg zu treten, wo es sich um die Aufrichtung einer deutschen Macht handelte, welche den preußischen Staat zur Grundlage hat. Der Kanzler erklärte mit der ihm eigenthümlichen Offenheit, daß ihn der Gedanke beschäftigt habe, an der katholischen Kirche eine Stütze für die Negierung zu finden, wenn auch eine vorsichtig zu behandelnde; daß er sich gefragt habe, wie es anzu-