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Aus Schwaben.
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wendigkeit der ständischen Einwilligung beim Aufgeben der sogenannten Re­servatrechte gewiß der beste Fingerzeig bezüglich der wahren Gesinnung unserer Minister! Um übrigens jeden Zweifel über die Haltung unserer Re­gierungskreise zu beseitigen, erklärte gleichzeitig das Stuttgarter Tageblatt, ein aus dem geheimen Cabinet inspirirtes AnnoncenblattWürttemberg sei im November 1 870 in Versailles geprellt worden!"

Und trotz dieser Coalition, trotz einer monatelangen Vorbereitung, trotz des Aufgebots von Bezirksbeamten, Straßenwärtern, Bahnbediensteten :c. er­zielte der klerikale Candidat nur eine Mehrheit von 40 Stimmen (2740:2700): um so interessanter sind die Aufklärungen, welche diese Wahl herbeigeführt hat.

Hiervon, und über die Thätigkeit unseres Landtags im nächsten Bericht

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Hom preußischen Landtag.

Berlin, den 28. Januar 1872.

Die Thätigkeit des Landtags hat sich in dieser Woche auf zwei Sitzungen des Abgeordnetenhauses beschränkt, die in der fortgesetzten Berathung des Staatshaushaltes nichts berührt haben, was von allgemeiner Wichtigkeit wäre. So können wir denn die Gedanken ausschließlich auf das Hauvtereig- niß der Woche lenken, auf die Ernennung des Dr. Falk zum Cultusminister. Die betreffende königliche Verfügung datirt vom 22. Januar, dem Geb urts tag Lessings. Mehrfach ist der Wunsch ausgedrückt worden, daß dieses Da­tum zum günstigen Omen werden möge. Wer. der nicht ultramontan, möchte diesen Wunsch nicht theilen? Aber wir besorgen einigermaßen, daß die Er­wartungen dessen, was überhaupt vorläufig möglich ist, zu hoch gespannt sind.

Es hat eine ganz eigene Bewandniß mit dem Cultusministerium in dieser Zeit. Die Opposition, welche v. Mühlers Verwaltung so heftig angriff, pflegte zu verstummen, sobald man fragte, wie das an die Stelle zu setzende System beschaffen sein solle. Manchmal hörte man wohl die mehr kühne als überlegte Aeußerung: ein neuernannter Cultusminister habe nur die rechtliche Verbindlichkeiten einschließenden Geschäfte dieses Verwaltungszweiges abzu­wickeln und dann das Ministerium zu schließen. Die Lebenskreise, mit deren staatlicher Beaufsichtigung und Pflege sich das Cultusministerium bisher be­schäftigt, seien einfach sich selbst zu überlassen.

Im Vergleich zu dieser Weisheit, gegen welche Gründe verschwendet sein