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Die Irrfahrt des Ballons "la Ville d´Orléans."
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Verzweifelten ein. Einen Augenblick wollen diese den Ballon zersprengen und, mit dem letzten Seufzer nach der Heimath, nach Weib und Kind auf den Lippen, den unvermeidlichen Tod schneller herbeiführen, als es die Elemente zu wollen scheinen; allein es gelingt ihnen nicht, Feuer anzuzünden; sie sind gezwungen, sich wieder mit dem Ballon zu beschäftigen, der nun mit großer Schnelligkeit zur Meeresfläche hinabsinkt. Da plötzlich, in der Höhe von 30 Metern über dem Niveau des Meeres, bemerken sie den Wipfel einer Tanne, welcher durch den Nebel aus einer dichten Schneehülle hervortaucht, Land, Land! Unmittelbar darauf stößt der Nachen in die Schneemassen; Rolier springt augenblicklich hinaus, der andere Passagier aber verwickelt sich in die Ankertaue, und der Ballon, befreit von einem beträchtlichen Theile seines Ge­wichts, steigt wieder in die Höhe. Glücklicherweise vermag Rolier, der sich an das Fallseil anklammert, den Lauf des Ballons für Sekunden zu verzögern. Der zweite Reisende benutzt diese -kostbaren Augenblicke, schwingt sich aus dem Nachen, und stürzt von 20 25' Meter Höhe hinunter in den Schnee, der den Stoß mildert. Gerettet! gerettet! Unsagbares spiegelte sich in dem Ant­litz der Gefährten, die sich stumm die Hände drückten. Sie standen wieder auf befreundetem Boden, aber Ballon und Tauben schienen verloren zu sein.

Es war am Freitag, den 2S. November, 2V2 Uhr Nachmittags. Der Ort, wo die Reisenden landeten, liegt, wie später ermittelt wurde, in Nor­wegen unter 62 Grad n. B. und heißt dieLid-Höhe." Allerdings war die fast unabwendbar scheinende Gefahr des Umkommens in den Meereswogen überstanden, aber die neue Lage der Reisenden schien nichts Tröstlicheres zu haben. Beraubt von allen Lebensmitteln, fast ohne wärmere Kleider, die der Ballon fortgeführt hatte, in eisigem Klima, auf unwirthlichen und schneebe­deckten Bergen, wo jede Spur menschlichen Lebens erloschen zu sein schien, waren sie von Neuem Schrecken aller Art Preis gegeben. Sie versuchen von den steilen Höhen herunterzusteigen, hier über fast senkrechte Gletscherfelder, dort an Abgründen hinunter gleitend, stürzen sie bald in tiefe Eisspalten, bald sinken sie bis an die Brust in Schneelöcher hinein. Endlich, nach langen end­los scheinenden Mühen entdeckt Mr. Rolier die Spuren von Schlitten, welche nach Süden sich hinziehen; sie folgen den glückverheißenden Zeichen und ge­langen, während bereits ihr Pariser Schuhwerk in Fetzen um die erstarrten und wunden Füße hängt, in eine halbverfallene Hütte, deren Eingang von Schneewänden fast völlig versperrt ist. Gerettet zum zweiten Male! Sie werfen sich auf den Boden der Hütte, die ihnen herrlicher als ein Palast dünkt, nieder, sie graben sich in die schützende Schneedecke ein und versinken der eine, Mr. Rolier, in unruhigen, von heftigen Fieberschauern gestörten Schlaf, der andere in traurige Lethargie; denn der letzte Rest der Kräfte war jetzt aufgezehrt. Weit und breit schien kein menschliches Wesen zu athmen.