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Die Irrfahrt des Ballons "la Ville d´Orléans."
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wärts und rückwärts der Ocean! Das war also die Ursache jenes dumpfen Getöses in der Nacht gewesen. Welch eine Lage! Beraubt aller Instrumente zu genaueren Ortsbestimmungen, entblößt von Lebensrnitteln, in ungenügen­der Kleidung, bestürzt und niedergebeugt, vermochten die Luftschiffer nicht das Mindeste zu thun, um den schrecklichen Lauf des Ballons nach Norden zu hemmen. In Verzweiflung bereiteten sie eine Depesche nach Frankreich vor, des Inhalts:6^ Uhr Morgens, auf offener See, keine Küste weit und breit, Gott sei uns gnädig!" und entschlossen sich, dies letzte Lebewohl einer der treuen Brieftauben anzuvertrauen, welche traurig in ihrem Käsig saßen; allein die Dichtigkeit des Nebels, welcher von Minute zu Minute sich ver­mehrte, nöthigte sie, von der Ausführung ihrer Absicht Abstand zu nehmen.

Es ist 11 Uhr Vormittags. Tief unter ihnen Passiren zahlreiche Segel, aber vergeblich sind alle Signale, alles verzweifelte Rufen der Luftschiffer; ent­weder hat man den Ballon nicht wahrgenommen, oder die gräßliche Schnellig­keit, mit welcher er durch die unendlich scheinenden Wogen der Atmosphäre fortgerissen wird, verhindert jeden Versuch, ihm Hülfe zu bereiten. Auch das Herabsteigen in tiefere Luftschichten ist vergeblich, und die an Wahnsinn gren­zende Idee, das Fallseil in seiner ganzen Länge von 120 Metern aus dem Nachen heraushängen zu lassen, damit es von einem vorüberfahrenden Schiffe erfaßt und festgehalten werde, muß wieder aufgegeben werden. Endlich, um ll^/i Uhr, kommt von Osten her ein großes Schiff in Sicht. Gott sei Dank, es löst einen Nothschuß; der Ballon ist bemerkt worden. Man sieht Signale an den Raen erscheinen; Roller öffnet das untere Ventil des Ballons und letzterer sinkt pfeilschnell fast bis zum Meeresspiegel herunter; aber umsonst; während der Zeit von fast drei Minuten, welche das Herabsteigen in Anspruch genommen hat, ist der Ballon soweit vorgerückt, daß ihn eine Entfernung von mehr als acht Kilometern von dem Schiffe trennt. Dumpfe Lethargie be­mächtigt sich der Luftschiffer; sie müssen wieder hinauf in die eisigen Lüfte, sie opfern, da nur noch zwei Ballastsäcke übrig sind, einen Privatdepeschen-Sack von 60 Kilogramm Gewicht. Der Ballon steigt 3700 Meter hoch. Ein compacter Nebel legt sich um den Nachen; die Reisenden zittern vor Kälte; ihre Haare, Bärte und Augenbrauen gleichen Eisklumpen. Die armen Tau­ben flattern ängstlich im Käfig umher. Einer der Leidensgefährten gibt ihnen seine Decke. Mr. Rolier versucht das Ventil am unteren Ballonende, dem Appendix, vollständig zu schließen, weil das ausströmende Gas sich zu Krystal­len verdickt und als feiner stechender Schnee zum Nachen herabfällt; es ge­lingt ihm zwar, aber das Gas steigt nun in rasender Schnelligkeit zu dem oberen Theile des Ballons hinauf und droht dessen Hülle zu zersprengen. Das Ventil unten muß mit tausend Mühen wieder geöffnet werden, die Eis­krystalle des Gases dringen stechender und in immer dichteren Massen auf die