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bei dem preußischen Hofe als Reichscommissarien behandelt und aus dem Reichsbudget besoldet werden müßten, was keine haltbare Einrichtung werden könne.
Es ist daraus zu entnehmen, wie sehr der Fürst-Ttaatskanzler die formelle Gleichberechtigung der Bundesglieder den gegenwärtigen Verhältnissen für entsprechend erachtet und daher zu schonen bemüht ist. Man könnte sich ja sonst wohl denken, daß zur Aufrechthaltung der Einheit in der ReichS- regierung zwar die leitende Regierung Agenten von Reichswegen auszusenden befugt wäre, daß aber die übrigen Negierungen an den Bundesrathsbevollmächtigten ein ausreichendes Organ zur Geltmdmachung ihrer besonderen Wünsche in der Reichsregierung besäßen. Der Reichskanzler sieht die Sache nicht so an. Er gibt, wir er ausdrücklich wieder erklärte, auf die Symbolik der Formen wenig, die allerdings durch die Fortdauer des Apparates einer auswärtigen Politik zwischen den Bundesgliedern beeinträchtigt erscheint. Er schont so viel als möglich die hergebrachten Gewohnheiten und Formen, und ist lediglich bemüht, den rechten Geist in dieselben zu leiten. Möglich, daß, wenn dieser Geist zur sichern Herrschaft gelangt ist, wenn es einst unmöglich geworden ist, ihn wieder zu vertreiben, die formale Symbolik übereinstimmender ausgebildet werden kann.
In den nächsten Sitzungen kam bei den Ausgaben des Handelsministeriums das Kapitel der Eisenbahnen zur Berathung. Dabei wurde wieder einmal die Frage berührt, ob das gemischte System, das heißt das Nebeneinander von Staats- und Privatbahnen, haltbar sei. Es gab eine Zeit, wo fast Dogma war, daß die Staatsbahnen eigentlich eine unleidliche Ausnahme von der Regel seien, daß je eher je lieber dahin gestrebt werden müsse, alle vorhandenen Bahnen in Privathände übergehen und keine Bahn anders als durch Privathände entstehen zu lassen. Wir sehen dieses Dogma plötzlich und zwar, wie wir nicht verhehlen wollen, mit einiger Genugthuung, beträchtlich erschüttert. Dem Handelsminister wurde vorgeworfen, daß er sich plötzlich zu dem Staatsbahnsystem bekehrt habe, worauf derselbe erwiderte, daß er dasselbe alle Zeit für das Beste gehalten habe. Dieser Widerspruch löst sich aber damit, daß der Handelsminister allerdings schon immer sich für die Staatsbahnen erklärt hat, aber nur in der Theorie, die er für die Praxis zu schön hielt. Jetzt scheint er die Theorie auch für practisch zu halten. Da liegt der Unterschied in den Aussprüchen des Handelsministers und zugleich ein Zeichen des Umschwungs der Ansichten über die Frage selbst. In der That gehört der Widerspruch gegen das Staatsbahnsystem, wie er vor Kurzem noch allgemein herrschend war, der Periode an, wo man sich Volk und Regierung nur im Gegensatz denken konnte. Es ist eines der Glück verheißend- sten Zeichen dee Gegenwart, daß vielfache Symptome bekunden, wie dieser