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Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete : Minister Delbrück.
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reichischen Deficit zusammengespannt würde, und um diesen Preis begann er in einer Reihe von Denkschriften eine nachhaltige Schwärmerei für ein austro- deutsches Zoll r^e ich von 70 Millionen Seelen. So schleppte sich der Streit durch die Staatsarchive in Wien, Berlin und Frankfurt fort, wurde schließlich auf den Dresdner Conferenzen so wenig ausgetragen, als die deutsche Frage, und hatte Uur für Oestreich den großen Segen, daß Brück wirklich mit den östreichischen Einfuhr- und Ausfuhrverboten und Zwischen­zöllen gründlich aufräumte. Aber sobald Brück mit diesen tüchtigen Refor­men zu Ende war (1. Februar 1852) und die Hände nach außen frei hatte, trat er mit einem kühnen, neuen Plan hervor. Preußen hatte von jeher er­klärt, so unausführbar es eine Zolleinigung mit Oestreich halte, so gern sei es bereit, einen Handelsvertrag zu schließen. Brück nahm Preußen nun beim Wort. Er bot die allergrößten Verkehrserleichterungen zwischen den beiden Handelsgebieten an, viel größere z. B., als sie der deutsch-östreichische Han­delsvertrag von 1868 gewährt und verlangte nur die scheinbare Kleinig­keit, daß ohne Einwilligung Oestreichs hinfort Tarifveränderungen im Zoll­vereine nicht stattfinden dürften. Dieser Vertrag sollte den 1. Januar 1854 in Kraft treten und allmählich in eine vollständige Zolleinigung mit Oestreich überführen, die am 1. Januar 1839 beginnen sollte. Delbrück erkannte so­fort die ganze Doppelzüngigkeit des Vorschlags. Unter der Maske von Ver­kehrsfreiheiten wollte sich Oestreich im Zollvereine einnisten, mit einem abso­luten Veto gegen jede selbständige und namentlich jede freihändlerische Han­delspolitik Preußens. Delbrück wies daher die östreichischen Vorschläge auf das Entschiedenste zurück. Aber Brück hatte seine Rechnung auf die deutschen Mittelstaaten und die schutzzöllnerischen Sympathien Süddeutschlands gemacht, und diese Rechnung war richtig. Auf der Zollconferenz zu Wiesbaden am 7. Juni 1851 verlangten Bayern, Sachsen, Württemberg und die beiden Hessen von Preußen unbedingtes Eingehen auf die östreichischen Vorschläge.

Delbrück aber hatte inzwischen in Berlin in aller Stille eine Gegenrech­nung fertig gebracht, die alle diese Pläne durchkreuzte.

Bis dahin hatten die Neider Preußens immer mit sichtbarlichem Behagen hingewiesen auf die Thatsache, daß Hannover, Oldenburg und Lippe für sich ein besonderes Zollgebiet (unter dem Namen Steuerverein) bildeten, welches die westlichen und östlichen Provinzen des preußischen Staates vollständig von einander trennte. Für Preußen wäre daher unter solchen Verhältnissen die Kündigung der Zollvereinsverträge für den 1. Januar 1854 in der That ein Ereigniß von schmerzlichster Tragweite gewesen. Dann war sein Staatsge­biet in zwei Hälften zerrissen, an deren Grenzen ringsum Zollschranken starr­ten. Aber während die Gegner dieses Unheil frohlockend voraussahen, ver­öffentlichte Preußen plötzlich den von Delbrück im tiefsten Geheimniß verhau-