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Die spanische Kirchen-Reformation. I.
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Übertretung der Gelübde unter Nmenez' Regiments war es damit vorbei. Die Nothwendigkeit dieser disciplinarischen Reform hatte er schon 1492 der Königin vorgestellt; sie billigte seine Gesichtspunkte. 1494 erhielt man die päpstliche Vollmacht zu den äußersten Maßregeln; und in den nächsten Jahren, besonders seit er Erzbischof von Toledo geworden, begann Nmenez die Arbeit der Klöstervisitation und der Reinigung der Convente. Aus Klöstern und Kapiteln regnete es Proteste gegen den neuen Primas; selbst der heilige Vater in Rom es war der Spanier Borja, Alexander VI. wurde angerufen und machte nun Miene sich einzumischen. Alles kühlte den Reformeiferer nicht; kein Haar breit wich er zurück; seiner Königin war er sicher, die Staats­gewalt stand ihm gegen alle Widersacher zur Verfügung; und wenn auch der Papst bisweilen, gegen seine spanischen Wohlthäter undankbar, einige Oppo­sitionsgelüste verrathen hatte, ernstlich sich mit Spanien zu überwerfen kam ihm nicht in den Sinn, am wenigsten gar für eine innerkirchliche Frage. So waren diese Päpste des ausgehenden 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhun­derts gewiß nicht beschaffen, daß sie wegen kirchlicher Dinge ihre Stellung erpo- nirt hätten ! Alle derartigen Hindernisse überwand Ximenez. Seine Consequenz, sein sittlicher Ernst brachte es dahin, daß in wenig mehr als einem Jahr­zehnte der spanische Clerus durchaus verändert war. Die weltlich gesinnten Geistlichen waren überall entfernt; strenge eifrige Männer, die wirklich der Seelsorge lebten, bildeten nun die Diener der Kirche; in der Regel (daß aus persönlicher Gunst oder aus politischen Rücksichten einzelne Ausnahmen vor­kamen, soll nicht in Abrede gestellt werden) waren die Bischöfe jetzt Personen, die sich entweder durch theologische Bildung oder durch sittliche Strenge und kirchlichen Sinn ausgezeichnet hatten.

Während auf diese Weise der Eifer der Staatsregierung für die Reinheit und Tüchtigkeit des kirchlichen Personals Sorge trug, war sie nicht gesinnt, gegen offene oder heimliche Feinde der Kirche Milde oder Nachsicht zu üben. Gleichzeitig mit der Erneuerung und Disciplinirung der Kirche traf man zum Schutze der Kirche gegen außen Vorkehrungen, deren eiserne Härte und rück­sichtslose Consequenz nicht leicht übertroffen werden könnte.

Man knüpfte an mittelalterliche Institute an. Wie schon im 13. Jahr­hunderte die Aufspürer ketzerischer Bosheit" (iliMisitores daeretioas xra- vitg-tis) dem spanischen Charakter besonders gut entsprochen hatten, so kam jetzt bei Königin Jsabella in Anregung, diese alte im Laufe der Zeit stumpf gewordene Waffe zum Schutze der Glaubensreinheit und Kircheneinheit neu zu schärfen, das etwas verkommene Glaubensgericht in zeitgemäßer Gestalt neu zu beleben. Jsabella ging auf diese Ideen des Kardinal Mendoza ein. Gleichzeitig mit den Concordatsverhandlungen erbat man sich 1481 vom Papst Sirius IV. Vollmacht und Bestätigung für die neue Inquisition.

Grenzboten I. 1872. 12