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Dies Verlangen, allein in Spanien für das Heil der spanischen Kirche zu sorgen, entsprach einem allgemeinen Zuge jener Periode. Ueberall in Europa strebten die Staatsgewalten darnach, ihre Landeskirchen der eigenen Obhut zu unterstellen. Die Auflösung der allgemeinen Kirche in loeale Gruppen ist damals schon erstrebt und theilweise auch factisch erreicht worden. Nirgendwo aber ist dies Ziel in solcher Weise auch aus religiösen Motiven ins Auge gefaßt. Anderwärts sind es vorzugsweise die staatlichen Interessen, die zur Decentralisation der Kirche, zur Entstehung der Territorialkirchen hindrängen. Auch in der Politik des spanischen Königthums wird man diesen Factor nicht übersehen dürfen, aber hier tritt doch zu dem politischen ebenso kräftig und massiv das religiöse Interesse hinzu: die beiden Motive suchen die abgeschlossene Selbständigkeit der spanischen Kirche zu begründen und zu sichern.
Und was gerade die Eigenthümlichkeit dieser spanischen Kirchenresormation bezeichnet, nicht der Eifer eines einzelnen religiös erregten Mannes bestimmt Inhalt und Richtung und Erfolg der religiösen Bewegung; nein, die spanische Reform ist vielmehr das eigenste Werk der Staatsgewalt: die spanische Krone ist der Bahnbrecher und Führer der Besserung in der Kirche: den katholischen Königen, Ferdinand und Jsabella wird das meiste verdankt.
Wir haben kürzlich in diesen Blättern in anderem Zusammenhange*) von der Bedeutung und den Leistungen dieser Könige gehandelt. Wir wiederholen nicht unsere früheren Ausführungen. Den doppelten Gesichtspunkt, den politischen und den religiösen, aus dem ihre kirchlichen Maßregeln zu erklären sind, hoben wir früher schon hervor. Wir irren sicherlich nicht, wenn wir meinen, von verschiedenen Seiten hätten sich den beiden Fürsten alle jene Maßregeln empfohlen, mit denen sie gemeinsam vorgingen: Ferdinand hatte mehr die politischen, Jsabella mehr die kirchlichen Folgen im Auge: sie, die innerlich religiöse, devot kirchliche Frau hat zuerst den Ermahnungen und Zureden derjenigen Männer ihr Ohr geliehen, welche über die notorische Verwilderung des Clerus klagten und eine Reform der spanischen Kirche herbeizuführen trachteten: Jsabella's kirchlicher Geist hat die schönen Früchte dieser ganzen Reformbewegung erst möglich gemacht.
Schon 1481 forderten die Könige vom Papste den Verzicht auf jeden Eingriff in spanische Angelegenheiten: sie wollten die wichtigeren Kirchenämter in Spanien selbst besetzen und nur nach ihren Vorschlägen sollte der Papst Bischöfe und höhere Geistliche ernennen dürfen. Rom widersprach natürlich diesen Forderungen, aber die Energie der Könige bestand aus denselben, und 1482 setzten sie auch den Abschluß eines Concordates auf Basis ihrer Anträge
") Vgl. Grenzboten Nr. 44 vom 27. October 1871.