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auch die spanische reich an satyrischen und polemischen Darstellungen dieser unerträglichen und unwürdigen Lage: Erneuerung der alten kirchlichen Zucht wurde mit Energie gefordert, das Interesse der Religion an solcher Erneuerung der Kirche nachdrücklich betont. Wir heben ein Beispiel aus. Pero Lopez de Ayala, ein Dichter des 14. Jahrhunderts, hat ein drastisches Bild des kirchlichen Lebens und Treibens seiner Zeit entworfen. Hier ist es in freier Uebersetzung, die sich bemühen soll, den Eindruck des Originals möglichst treu zu eopiren:
„S. Peters Schifflein ist dem Untergang nahe, zu unserem Schaden, zu unserem Verderben; — freilich dessen haben unsere Priester keine Sorge; die haben sonst genug zu thun — zum Heile der Welt: sie haben ja die Ernte des Bauern einzubringen — in ihre Scheuern. Dabei vergessen sie Gewissen und heilige Schrift."
„Wenn einer die geistlichen Weihen erst erlangt hat, dann achtet er nicht mehr die geistlichen Pflichten. Reich zu werden, darauf steht sein Sinn. Dereinst von seinem Thun Rechenschaft zu geben, der Gedanke kümmert ihn nicht. Will Einer zur Priesterweihe gelangen und hat Geld, so macht sich Alles von selbst: nach geistlichen Dingen fragt ihn kein Bischof; zahlt er Geld, so steht ihm jegliche Pfarre offen. Darnach richten ihm seine Pfarrkinder die Hochzeit aus mit der hübschen Gespielin und das lüge ich nicht. Niemals gibt es dafür einen Verweis — der Bischof selbst führt ja dasselbe Leben."
„Sind das Priester, so sind es Priester des Satan. Von ihnen erwarte gute Werke niemals, aber blühender Kinder findest Du stets einen Haufen, so daß an ihrem Heerde dem Fremdling keine Stelle mehr bleibt. Im ganzen Dorfe siehst Du keine Frau, die so behäbig und üppig einherschreitet als die Buhle des Pfarrers: wenn er die Messe liest, reicht sie ihm die Hostie dar, die elende Schurkin!"
„Das ist die Geistlichkeit, die unsere Kirchen regieret mit weltlicher Lust. Geht das so fort, so treibt sie die Menge zum Aufstand, wie der Marder Unruhen erregt im Taubenhof!" —
Wer nun um die Mitte des ,15. Jahrhunderts ernstliche Abhülfe solchen Unwesens erwog, der hatte doch die Erfahrungen der großen Resormconcile schon hinter sich: es war deutlich, daß die Häupter der allgemeinen Kirche, vor allen der Papst und die Curie, zur nothwendigen Besserung die Hand nicht bieten würden. Der Papst hatte die Ernennung zu vielen geistlichen Stellen an sich gerissen; er aus der Fremde stellte die Hirten in Spanien an: da wurden dann entweder unnütze Pfründcnjäger aus Italien geschickt, oder untaugliche Menschen, deren Befähigung man in Rom nicht kannte, befördert. Als Bedingung einer Besserung ergab sich somit dies, daß man den päpstlichen Einfluß auf das spanische Kirchenregiment beseitigen müsse.