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bunden sind, aus ein ferneres Zusammenleben sich einrichten zu müssen, ja sie sollen wissen: daß selbst der Zerfall Oestreichs ihnen nicht die Thore öffnet zum Eintritt in das deutsche Reich. Wir können um unserer selbst willen sie nicht als Glieder unseres Staates brauchen. Wir meinen, es sei nicht richtig die Deutschen in Oestreich zuerst zu einem Com- promiß mit ihren Staatsgenossen zu ermuntern und ihnen dabei doch für den Fall des Unterganges des heutigen Oestreich eine Aussicht auf den Anschluß an Deutschland zu belassen. Wir urtheilen: ein Product jahrhundertelanger Geschichte ist, daß die Deutsch-Oestreicher heute draußen stehen. Müßten wir sie aufnehmen, so wäre das ein ungeheures Unglück für Deutschland; nicht einmal mit der entfernten Möglichkeit eines solchen Geschickes möchten wir uns in Gedanken befreunden oder beschäftigen. Nein, eine Nothwendigkeit für Europa, in erster Linie aber auch eine Nothwendigkeit für das heutige ' Deutschland, ist der Bestand und die Fortdauer des östreichisch-ungarischen Reiches. Eine Nothwendigkeit für die Deutschen in Oestreich ist, in dem Verbände der heutigen Monarchie auszuharren. Wohl ihnen, wenn sie die Selbstüberwindung besitzen, ihrerseits ein staatsrechtliches Programm zu finden und durchzuführen, bei welchem die Ueberlegenheit deutscher Bildung den Deutschen den gebührenden Einfluß auf das Ganze sichert! Unsere Sympathien sind mit jedem ernsthaften Versuche, Oestreichs Fundamente und Staatsordnungen neu und dauerhaft zu befestigen! — — ? —
Die Universität Straszömg.
Straßburg als deutsche Reichsuniversität und die Neugestaltung des juristischen und staatswissenschaftlichen Studiums. Von Dr. Carl Dietzel, Professor und Mitglied des Hauses der Abgeordneten. 172 S. Frankfurt a M. I. D. Sauerländers Verlag 1871.
Daß in akademischen Kreisen man mit Interesse und Spannung die Fragen verfolgt, welche mit der neu zu gründenden Straßburger Universität in Zusammenhang stehen, ist eine leicht verständliche Thatsache. An der Nothwendigkeit dieser Neugründung waltet wohl heute nirgendwo ein ernstlicher Zweifel: mannichfache Schwierigkeiten mögen vielleicht heute der schnellen Erfüllung des allgemeinen Wunsches noch entgegenstehen, aber daß die Uni- versität Straßburg eine Wahrheit werden muß, davon ist alle Welt überzeugt. In der Presse tauchen bisweilen allerlei Gedanken und Projeere auf; mit erfreulicher Energie nimmt die hier bezeichnete Schrift des bekannten Publi-
Grenzboten I. 1872. 1y