Beitrag 
Hausmusik. II.
Seite
1043
Einzelbild herunterladen
 

1043

fühlt man unwillkürlich einige Beängstigung. Selbstverständlich mehrt sich mit der Nachfrage nach Instrumenten auch die nach Musikalien und in der That werden alljährlich auch ganze Wagenladungen von Claviercompositionen auf den Markt gebracht. Es ist Legion, was da erscheint und diese krank­hafte Productivität steigert sich von Tag zu Tag. Wer über das ganze Gebiet der Clavierliteratur berichten wollte, müßte Berge durchwühlen; es wäre leichter, sich durch den märchenhaften Hirsebreiberg, der das gelobte Schlaraffenland umgiebt, hindurchzuessen, als durch dieses Gelage von Phan­tasien, Potpourris, Arrangements u. s. w., hinter dem nicht einmal ein glück­liches Schlaraffien liegt.

Wie jedoch jedes Ding seine zwei Seiten hat, so auch diese Sturmflut der modernen Klavierliteratur. Es wird, w,ie das gar nicht anders möglich ist, unter so Vielem eine Masse werthloses Zeug hervorgebracht, mehr Unkraut als gesunde kräftige Frucht, aber andererseits doch auch recht viel Schönes und Gutes, man muß es nur zu finden wissen, und dazu sollen diese Zeilen eine kleine Anleitung geben.

Eine dankenswert!)« Folge der massenhaften Productivität sind die zahl­reichen Concurrenzunternehmungen unserer Verlagshandlungen. Es giebt heute keine solche mehr und sei es selbst die berühmteste, größte und solideste, die nicht nothgedrungen an solchen Unternehmungen sich betheiligen müßte. Billige Ausgaben liegen allerdings weniger im Interesse der Verleger, dagegen sehr in dem der Kunst und der Käufer. Gerade das Beste kann man heute am Billigsten haben. Während die Zeit für wohlseile Gesammtausgaben der Werke Mendelssohns und Schumanns noch nicht gekommen ist, aber ungeduldig selbst von manchem Verleger erwartet wird, sind die großen Mei­ster älterer Zeit der Speculation freigegeben und wahrlich, man hat diese Freigabe auszunutzen gewußt. Haydn, Mozart, Beethoven, diese Grundsäulen der modernen Pianoforteliteratur, existiren in zahllosen, schönen, correcten und überaus billigen Ausgaben; Clementi, Weber, Schubert schließen sich ihnen an. Weniger berücksichtigt wurden bis jetzt: Dussek, Hummel, Field, Kuhlau, Chopin, obwohl auch deren Compositionen in Auswahl und zu geringen Preisen zu haben sind. Die vorstehend genann­ten Meister repräsentiren die bedeutenderen Klassiker der Pianofortemusik. Reiht man ihnen noch die Namen I. B. Cramer, Nies, Wölfl, L. Berger, Klengel, Fr. Schneider, Tomaschek an, die der Aufmerksamkeit unserer Ver­leger bisher noch ganz entgangen sind, so wird man so ziemlich alle Vertreter der Klassicität beisammen haben.

Unter den Unternehmungen, die sich vorzugsweise durch billige Klassiker­ausgaben verdient gemacht, ist in erster Linie die Edition Peters zu nen­nen. Dieselbe umfaßt nahezu 800 Piecen und Bände und es giebt kaum