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Von Florenz nach Rom : II. Cortona.
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aus der Schule Mino's, und seinen Werken ebenbürtig, doch nicht von ihm, weil er 1486 starb und das Ciborium nach einer Inschrift daran vom Jahre 1491 ist. Im Chor sodann finden sich drei große Oelbilder des Luca Signorelli vereinigt, die genügt hätten, die Größe des Meisters zu offenbaren, wenn wir nicht schon durch seine Fresken in Orvieto darüber aufgeklärt wor­den wären, vor allem die Pieta. Die Scene ist folgendermaßen vorgeführt: Christus, dessen Haupt und Füße im Schooße zweier Frauen ruhen, neigt sich sterbend seitwärts, während eine dritte seine Hand inbrünstig an ihre Brust drückt. Die Frau zu seinem Haupte verliert vor dessen Schwere den Halt, und stützt sich mit der Rechten auf den Boden. Die Linke legt sie ihm auf die Schulter, als wollte sie ihn aufrichten. Tiefer Schmerz prägt sich in ihrem geneigten Haupte aus, das eine Dienerin stützt. Maria dagegen zu seinen Füßen, mit vollem Antlitz und blondem, langem Haar, sinkt ohn­mächtig zurück, mit ausgestreckten Armen, und lehnt sich an einen in Profil stehenden Mann an. Am Kreuzesstamme endlich zeigen sich betend Johannes und eine andre Frau. Welche wunderbare Abstufung der Theilnahme, welche höchste Dramatik des Schmerzes, dessen Gewalt wie ein elektrischer Strom die Glieder so sehr wie die Gesichtszüge durchzuckt! Die Farben sind reich, präch­tig, doch gedämpft und erhöhen das leidenschaftliche Pathos der Scene, die frei von jeder Grimasse, nur mit den nobelsten, wenn auch lebenswahrsten Mitteln spricht. Hier sieht man, welche Dramatiker das Italien des fünf­zehnten Jahrhunderts geliefert hätte, wenn sich nicht alle Talente damals entweder auf die bildenden Künste geworfen, oder in literarischen Gelehrt­heiten vergraben hätten! Donatello, Botticelli, Filippino Lippi, Signorelli, welche energische Dramatiker im eigentlichsten Sinne des Wortes! Von großartiger Wirkung ist ebenfalls das daneben befindliche, im Jahre 1512 gemalte Bild, wo Christus, durch die Reihe seiner Jünger schreitend, Brod und Wein austheilt. Welche Köpfe, welche Profile, welche Gewandungs­motive! Nachdem wir diese Bilder des Signorelli gesehen hatten, machten uns die in der Kirche Gesü nebenan befindlichen von demselben Meister nicht mehr den tiefen Eindruck, den sie sonst wohl gemacht hätten. Dennoch läßt sich auch hier in beiden Bildern, Maria's Himmelfahrt und Anbe­tung der Hirten, Signorelli's realistische Kraft und Frische wahrnehmen, wenn auch noch in weniger reifer und harmonischer Entwicklung als in den eben geschilderten Werken.

Mein besonderes Interesse erregten die drei lebendigbewegten, tanzenden Engel auf dem einen der Bilder, sowie Adam und Eva en miniature unter der zum Himmel fahrenden Madonna des andern Bildes. In dieser steht der Ausdruck des barmherzig auf die Menschen niederschauenden Gesichtes in enger Beziehung zu der Bedeutung jener Gruppe. Der sechseckige Marmor-