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entworfen, in unvergleichlicher Harmonie mit den übrigen architektonischen Theilen, sowie der ganzen Kirche steht. Ueberhaupt wird dieß Kirchlein durch keine spätere Zuthat verunstaltet, da selbst die meisten der Bilder, sowie die farbigen Glasscheiben, womit die Fenster geschmückt sind, aus einer und derselben, oder doch einer der Entstehung der Kirche sehr nahen Zeit stammen. Was zunächst die Gemälde betrifft, so befinden sich darunter mehrere Fresco- bilder des Luc« Signorelli und seiner Schule, allerdings zum Theil übermalt. Ein herrliches und unversehrtes Werk von ihm ist aber das Freskobild von Gottvater und zwei Engeln in der Lünette des Hochaltars. Die Glasscheiben der Kirche sind von demselben Meister Guillaume de Mareillat, der auch den Dom von Arezzo so reichlich schmückte. Ein Mädchen von 7 Jahren hatte uns die Kirche aufgeschlossen, dessen Köpfchen ein geschickter Maler nur an der richtigen Stelle zu verwenden brauchte, und alle Welt würde über dessen „idealen" Stil entzückt sein.
Wir gingen unsres Weges weiter und fragten einen Landmann nach dem Gasthof zur Stell«, der mir schon in Florenz ganz besonders warm empfohlen worden war. „Ah, zur Stellina wollen Sie," fragte schalkhaft schmunzelnd der Angeredete; „dort an der Ecke im ersten Haus ist sie. Ja, nicht wahr, sie ist schon berühmt im Ausland? sie ist aber auch ein schönes Mädchen." Wir kamen also bei Stellina an. die eigentlich Mathilde heißt, vom Volksmunde aber, dem Namen des Gasthofs und ihren Augen zu Liebe, Sternlein genannt wird. — Unser nächstes Ziel war das etruskische Museum, das sich auf dem anmuthigen, kleinen, hoch von Bauten umragten Platz Signorelli, im Regierungspalast, befindet. Ich will mich nicht auf eine eingehende Schilderung der Sarkophage, Bronceidole, Schmuckgegenstände ?c. einlassen, die dort vereinigt sind. Nur drei Gegenstände will ich hervorheben, die zum Theil einzig und von höchstem Werthe sind. Ein cylinderförmiger Untersatz von Marmor mit drei nackten weiblichen- Figuren (den drei Grazien) in Relief ringsherum erinnert nicht blos im Motiv, sondern besonders auch in der Formbehandlung auffallend an die Schule des Niccolo Pisano, und kann als neuer Beweis dafür gelten, daß die pisanische Bildnerschule vollkommen genügend aus der etruskischen Antike, sowie aus den tvskanischen Kunsttraditionen erklärt werden kann. Eines der ersten Meisterwerke der etruskischen und vielleicht aller Broncetechnik ist sodann der Kronleuchter von fast einem Meter Durchmesser und 170 Pfund Gewicht. Derselbe wurde Anfang der vierziger Jahre von zwei Bäuerinnen auf dem Gute der Gräfin Luise Bertolozzi-Tommasi entdeckt und von letzterer für einen weit geringeren Preis an das- etruskische Museum verkauft, als ihr von sremden Kunstliebhabern dafür geboten wurde. Dem Stile nach bildet diese Hängelampe eines der interessantesten Beispiele hohler getriebener Broncearbeit, wenn sie auch that-