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Kunst und Literatur.
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men anschaulich machen. Zugleich liegt gerade in dieser Mannigfaltigkeit der Sammlung ein eigenthümlicher Reiz, von dem man erwarten darf, daß er auch auf solche Kreise, in denen die Kunst Genelli's bisher noch wenig heimisch geworden, nicht ohne Wirkung bleiben werde. Auf eigentliche Popularität hat diese Kunst aller­dings von vornherein verzichtet; der Geist ihrer eigenthümlichen Schönheit ist von so aristokratischem Stolz, von so rücksichtsloser Idealität, daß er die Sympathie der Mehrzahl stets von sich fern halten wird. Wohl aber kann eine unbefangene und reine Würdigung der Genellischen Werke jetzt um so eher möglich erscheinen, als die Schwankungen der leidenschaftlichen Parteiansichten, die eine solche bisher viel­fach erschwerte, sich nun nach dem Tode des Künstlers allmählich ausgleichen werden.

Eine höchst dankenswerthe Beigabe ist das biographische Vorwort; es tritt uns darin ein lebensvolles, bei der Wahrheit der Schilderung zugleich poetisch an­sprechendes Bild von Genelli's Persönlichkeit entgegen, und die Beurtheilung des Meisters zeigt, wie dem künstlerisch und menschlich Bedeutenden gegenüber die rechte Erkenntniß und Kritik nur aus einer warmen Begeisterung entspringen könne. Die Erläuterungen zu den einzelnen Tafeln sind möglichst knapp gehalten, ohne para- phrasirende, lästige Umschweife; in dieser knappen Form streben sie aber stets, dem Charakter der Darstellungen auch in der Weise des Ausdrucks gerecht zu werden, so daß sie die Stimmung des Betrachters nicht stören, wie sonst Wohl häufig der Fall, sondern sie eher anregen.

Die äußere Ausstattung des Werkes ist von einer reichen und geschmackvollen Eleganz, wie wir sie bei den Werken der Dürr'schen Verlagshandlung stets zu finden gewohnt sind. 1^.

Aus den heiligen Höhen der christlichen, aus dem ambrosischen Gewölks der griechischen Mythologie, in welche uns die vorerwähnten beiden Werke von Führich (vgl. Heft 51) und Genelli versetzen, führt uns das dritte Werk, dessen wir zu ge­denken haben, in die Traulichkeit des umgebenden Lebens zurück. Prophete rechts, Prophet- links, steht als Weltkind in der Mitten ein stets mit Freude begrüßter Gast, der berliner Kinderdichter Oskar Pletsch. Hat er seine kleinen Lieblinge bisher meist in den vier Wänden aufgesucht, wo die Stadtpflänzchen, die ihm besonders ans Herz gewachsen find, sich heimisch fühlen, so lockt er sie diesmal ins Freie hinaus.Auf dem Lande" ist das neueste Heft betitelt, das uns eine Reihe allerliebster anspruchsloser Scenen zu sehen gibt, wie wir sie alle tausendmal selbst beobachtet haben und doch zum tausend und ersten Male mit derselben Lust betrachten. In anmuthiger, stets harmonisch entsprechender Staffage wallen die Gruppen vorüber: bald Kurzweil der Kinder untereinander, bald der Verkehr der kleinen Unbeholfenen mit anderem Alter, bald der täppische Umgang mit Thieren oder heiteres Getümmel, Schabernack und allerhand tolle Striche bilden den In­halt, und durch Alles hindurch geht der Humor des Spieles, der Grundaccord aller Poesie und Schönheit. Nirgends begegnet ein sentimentaler Zug oder irgend etwas Krankhaftes. Pletsch versteht eben, daß das Kind, wie es da geht und steht, Ge­dicht genug ist, und er vermag fast immer es in seiner Unmittelbarkeit festzuhalten. Mit Freude nehmen wir dabei aber zugleich eine Steigerung nicht blos seines künst­lerischen Vertrags, sondern auch seines Verständnisses für den Gegenstand wahr. Nach beiden Richtungen ist es die erhöhte Einfachheit, die sich diesen Blättern manchen ihrer älteren Geschwister gegenüber nachrühmen läßt. Die Freude am Engen und Kleinen, welche den Zauber an den Gebilden des echten Genremalers zumeist ausmacht, spricht uns allenthalben aufs erquicklichste an, vorzüglich auch in den reizvollen Oertlichkeiten, welche den harmlosen Vorgängen als Bühne dienen. Formgebung, wie Zeichnung haben an Sicherheit und Klarheit gewonnen; mit der