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Kunst und Literatur.
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Größe, und die Geschichte, die geschriebenen Denkmäler der ethischen Entwicklung des Menschengeschlechts, hatte, mit der Natursorschung verglichen, überhaupt nur ein höchst untergeordnetes Interesse für den großen Künstler. Während die enthusia­stische Verehrung für die Natur, die lebhafteste Theilnahme an der Erforschung der­selben fast auf jeder Seite von Goethe's Werken und in jeder Periode sich aus­spricht, ja die Naturliebhaberei in den späteren Jahren selbst zum Steckenpferde sür ihn wurde, finden wir nur höchst selten hie und da ein ethisch-historisches Interesse berührt oder ausgesprochen, und selten in sympathischer Weise. DasPfui, ein politisch Lied, ein leidig Lied" ist ganz aus Goethe's Seele geschrieben. Wird Hettner auch in dieser Beziehung denvollen und ganzen Menschen" in Goethe sehen?

Wie dem nun auch sein möge, trotz der vielfachen Widersprüche, die sich zwischen Hettner's Ansichten über Kunst, Poesie, Künstler, Literaten und den reich über die­selben mitgetheilten Thatsachen offenbaren; bei dem Schwankenden in seinen Ur­theilen, von denen oft das zweite das erste limitirt, um vom dritten restringirt und vom vierten reformirt zu werden ; trotz der Diserepanz, die so häufig zwischen Hettner's theoretischer Denkart und seiner poetischen Empfindungsweise sich geltend macht, ist sein Buch doch ein vortreffliches, denn es ist überall aus genauester Kennt­niß und fleißigster Bewältigung des Stoffes hervorgegangen, überall, auch wo er schwankt oder irrt, aus innigster Ueberzeugung und Empfindung des Dargestellten geschrieben, und mit der geistigen Durchdringung des Stoffes verbindet sich überall das Bestreben nach schöner anziehender Gestaltung in Form und Ausdruck. Wird es dem Versasser in einer zweiten Auflage gelingen, den geistigen Inhalt seines Gegenstandes tiefer zu durchdringen, sich von der noch immer vorwaltenden rationa­listischen Reflexion zur philosophisch-historischen Anschauungsweise zu erheben und dadurch der mannichfaltigen Widersprüche und unconeisen Meinungen Herr zu wer­den, wird er endlich die häufigen Breiten und Ueberwucherungen, das mitunter Ab­springende seiner sonst so lebens- und gestaltungsvollen Darstellungsweise zu ver­meiden oder zu beschneiden wissen, so wird er durch den Fortschritt im Vergleich zu sich selbst sich ein ebenso großes Verdienst erworben haben, wie jetzt im Vergleich zu seinen Vorgängern.

Satura. Composttionen von Buonaventura Genelli. In Umrissen ge­stochen von I. Merz, I. Schütz und A. Spies. Mit einem erläuternden Text herausgegeben von Dr. Max Jordan. Leipzig 1871. Verlagsbuchhandlung von Alphons Dürr.

Indem diese neue Sammlung Genelli'scher Composttionen das Bild von des Heimgegangenen Meisters großartigem Schaffen vervollständigt, genügt sie einem Gebote der Pietät, dessen Erfüllung alle Verehrer der Genelli'schen Muse mit leb­haftem Danke begrüßen werden. Sie bietet eine interessante Auslese aus theils schon einzeln veröffentlichten, theils noch unbekannten Blättern geringern Umfangs der später die Herausgabe jetzt noch zurückbehaltner. umfänglicherer Composttionen folgen soll. Der glücklich gewählte TitelSatura" deutet auf die bunte Mannig­faltigkeit der dargestellten Gegenstände und wird durch eine von Prof. Th. Grosse entworfene Zeichnung auf dem Umschlag des Heftes eine mit allerhand Früchten gefüllte Schaale, an deren reichem Inhalt sich eine Gesellschaft von Genien erlabt sinnvoll illustrirt. Neben fertigen, abgerundeten Bildern und neben Entwürfen, die meist zu architektonischem Schmuck bestimmt sind, enthält die Sammlung eine Reihe von Skizzen und Bruchstücken der verschiedensten Art; den Stoffgebieten wie der Behandlung nach für verschiedene Richtungen charakteristisch, können sie der Absicht des Herausgebers gemäß den Umfang von Genelli's Kunstthätigkeit in engem Rah- Grenzboten IV. 1L70. 65