Beitrag 
"Vor Paris nichts Neues."
Seite
122
Einzelbild herunterladen
 

122

Die Geschickte weiß es anders: so wenig Ninive, wie die übrigengroßen Städte Gottes, drei Tagereisen groß", derenBosheit heraufkommen war vor ihm", sind vorm Sturze bewahrt worden; durch Hunger, List oder Gewalt hat man es ihnen allen zuletzt doch angethan.

Man verkenne unsere Absicht nicht: wir wollten weder predigen noch spotten. Wir haben eine historische Parallele gezogen, deren Wahrheit jedem einleuchten muh. Innerhalb abendländischer Cultur ist eine Erscheinung wie Paris, eine solche todbringende Concentration der Volkssciste an einem Punkte des Staatskörpers, nie dagewesen, es ist eine Uebernährung des Herzens, die nun einmal zu einem jähen Ende führen muß. Allerdings hat auch das alte Nom den Erdkreis ausgeplündert, um sich allein zu bereichern an Geld, Talenten und allem Schmucke zum Theil unbegriffner Kunst. Doch geschah das erst, als die eigene Leistungsfähigkeit in ihm erloschen war, Geiz und Habsucht sind auch bei großen Gesammtheiten Zeichen des hereinbrechenden Alters. Auch on Hochmuth steht doch Nom noch weit hinter Paris zurück. In den sturmfreien Tagen der augusteischen Zeit ruft der fromme Dichter zur Sonne der Säcularseier den Wunsch empor, daß sie doch nimmer etwas Größeres erschauen möge, als die Stadt Rom. Solch' ein Wunsch, der ja immer einen Zweifel in sich schließt, würde selbst im äußersten Schiffbruch dem französischen Dichter als ein Frevel wider die Unsterblichkeit von Paris erscheinen. Doch man verzeihe uns den Frevel, Victor Hugo neben Horaz zu nennen!

Man hat gemeint, unsere Führer schwankten noch, ob sie die ungeheure Last in den Augen der Nachwelt auf sich nehmen sollten, Paris, wenn auch nur theilweise, zerstört zu haben. Wir trauen ihnen diese falsche Weickher» zigkeit nicht zu, um so weniger, als sie selber erklärt haben, wie viel entsetz­lichere Folgen auch für unsere Feinde die Aushungerung haben müßte, als der lärmende Schrecken einer energischen und darum kurzen Beschießung. Es ist freilich eine arge Ironie des Schicksals, daß unser Volk, das am tiefsten von allen in das Verständniß der Kunst- und Geisteswerke jeder Vorzeit ein­gedrungen ist, die Hand anlegen soll, so vieles Schöne und Herrliche zu ver­nichten, nicht etwa blos die Werke französischer Bildner diese, die noch dazu fast alle lediglich der französischen Selbstbespiegelung dienen, setzt die große Nation als freiwilligen Einsatz aus eigener Tasche auj's Spiel nein, auch ganz einzige, nie erschliche Sclöpfungen griechischer und italienischer Kunst, die VenuS Milo. wie die Bilder Leonardo's, oder endlich den kostbaren manessischen Codex unserer eigenen Minnesinger, einst ein Kleinod der uns geraubten Heidelberger Bibliothek. Aber wie in den Kriegsberichten dieser Blätter mehisach betont worden, das Leben unserer Tapfern, das Heil un­seres Volkes und Staates ist uns das oberste Gesetz. Mögen sie uns dann immerhin als Barbaren in ihre Bücher zeichnen. Die Weltgeschichte doch