473
tern, die wir in deutscher, französischer, provenzalischer Zunge kennen, hat je daran gedacht, ein Drama zu schaffen. Es blieb auch, nachdem es in seinen offieiellen oder recipirten Aeußerungen fromm geworden war, unhöfisch. Dichter und Darsteller, so geschickte Leute sie sonst sein mochten, gehörten nicht zu der gebildeten Gesellschaft und was nothwendig damit zusammenhängt, sie arbeiteten auch nicht für dieselbe. Daher ist es auch die gröbere Mundart, die in allen uns erhaltenen Resten dieser älteren Dramatik allein Geltung hat, für unser unvermitteltes Gefühl aufs seltsamste durchschnitten von dem Latein der Kirche, das im Ansang und später für einen engeren Zuhörerkreis, aus eigentlichen Klerikern und Mönchen und dem zahlreichen Personal ihrer Dom-, Stifts- und Klosterschulen bestehend, ausschließliche Geltung hatte, bis es für das weltliche Publikum mehr und mehr durch die Volkssprache beschränkt und endlich, einige allgemein bekannte Phrasen abgerechnet, ganz verdrängt wurde.
Als die höfische Epik und Lyrik verklungen war oder vertrocknete, brauchte das Drama nicht erst zu entstehen, denn es war schon lange in reichster Fülle da gewesen. Aber jetzt erhielt es Raum in,der guten Gesellschaft, denn nunmehr waren es nicht mehr Ritter und Damen, aus denen sie bestand, fondern Kaufleute und Industrielle und zwischen ihnen, gleichsam nur eingesprengt, einzelne Hofkreise, die an Sitte und Formen die alten Traditionen der aristokratischen Vergangenheit möglichst übertrieben festhielten und spielend carricirten, während sie gerade so fühlten und dachten, aßen und tranken, scherzten und liebten, wie die damals alles beherrschende städtische Bürgerschaft. Doch wurde es dadurch nicht so sehr gehoben, als man hätte vermuthen sollen. Während einstmals die großen Dichter der Zeit es nicht beachtet hatten, gab es jetzt keine großen Dichter mehr und es bedürfte erst des gewaltigen idealen Anstoßes der Reformation und was mit ihr zusammenhängt, um Talente hervorzubringen, die einem Wolfram, Gottfried, oder auch einem Wälther ebenbürtig, zum Theil ihnen selbst überlegen waren. Aber an Masse der Produktion übertraf diese dramatische Periode womöglich die vorhergegangene episch-lyrische, und wenn das für ganz Deutschland gilt, so gilt es noch ganz besonders für die Niederlande. Noch immer nimmt das geistliche Drama seinen Ehrenplatz ein, aber an Zahl und Bedeutung überwiegen die weltlichen Stoffe. Unter diesen mag sich das Gewicht ungefähr ziemlich gleich auf die ernste und auf die komische Gattung vertheilen, wenigstens wird es den Zeitgenossen so geschienen haben. Für unsere Gaumen sind begreiflich die Erzeugnisse der letzteren, des Lustspieles oder der eigentlichen Posse, um vieles genießbarer, aber man hüte sich, unsern heutigen Geschmack rückwärts in die Seelen unserer Vorväter hinein» zueseamotiren.