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Die dritte französische Republik.
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Die dritte französische Republik.

Als wir vor vier Wochen an dieser Stelle die Aussichten des Ministeriums Palikao besprachen, zweifelten wir, daß dasselbe seiner ungeheueren Aufgabe gewachsen sein werde, aber es ist selbst hinter den mäßigsten Erwartungen zurückgeblieben. Unser Urtheil über die militärischen Leistungen seines Chefs wollen wir suspendiren; es mögen die Kräfte selbst eines Genies nicht hin­gereicht haben, gegen die Ueberlegeuheit der deutschen Waffen anzukämpfen, politisch aber ist das Ficisco des Ministeriums vollständig gewesen, es hat sich von Anfang an als eine dynastische, nicht als eine nationale Regierung gezeigt. Es hat den schlechtesten Leidenschaften der Verdächtigung sich gebeugt, indem es die in den chauvinistischen Organen empfohlene Austreibung der Deutschen durchgesetzt, gegen welche nur M. Chevalier den Muth gefunden öffentlich zu protestiren, es hat dagegen das System der Täuschungen Leboeufs und Olli- viers fortgesetzt, hat Paris und Frankreich bis zum letzten Augenblicke in einer Welt des Selbstbetrugs fortleben lassen. Darnach mußte die Nachricht der Katastrophe von Sedan wie ein Donnerschlag wirken. Am Sonnabend den 3. September nach Ausgabe der Abendblätter ließ sich die Niederlage nicht mehr verheimlichen, eine Bande bildete sich in der Rue Drouot, die über den Boulevard des Italiens und ^lace Vendöme nach dem Louvre zog, wo sie Trochu herausrief. Derselbe gab die Thatsache desäesastre inoui" zu, aber verwies sie an das vorxs legislatik. Dort stieg eben Palikao auf die Tribüne und gab in Worten, welche durch ihre soldatische Einfachheit nur umso stärker wirkten, die Nachricht von der Capitulation Mac-Mahons und der Gefangennahme des Kaisers, unmittelbar ihm folgend beantragte I. Favre die Entsetzung der Dynastie. Ein furchtbarer Aufruhr entstand im Saal und auf den Galerieen, umsonst schellte der arme Präsident Schneider seine Glocke fast zu Stücken, alles raste durcheinander, man stand bereits im Anfang der Revolution. Sie ward vollzogen durch bewaffnete Banden, welche am folgenden Mittag in die Sitzung eindrangen und unter dem drohenden Drucke des souveränen Volkes, das diesmal durch eine kleine Fractivn bewaffneten

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