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in der Armee stehenden Söhne aufforderten, nicht zu dulden, daß man sie gegen Deutschland führe: ohnehin war auf Begeisterung der Truppen, auch der Mehrzahl der Offiziere, für einen solchen Krieg nicht zu rechnen. Die Führer der Opposition fanden Mittel, es bis zu den Ohren des Königs kommen zu lassen, daß eine Kriegshilfe Italiens an Frankreich unfehlbar den Thron gefährden würde. Nicht ohnmächtige Demonstrationen nach Art der jüngsten Mailänder Affaire, welche die Radicalen selbst gemißbilligt haben, sondern eine ernsthaste Revolution werde die Antwort sein, und, fügten sie kühl hinzu, sie wüßten sich im Besitz aller Mittel, um den Ausgang zu sichern, wenn doch das Heer außer Landes sei. Solche Vorstellungen blieben nicht ohne Eindruck.
Die italienische Negierung hatte in jenen Entscheidungstagen keinen leichten Stand inmitten der beiden Strömungen. Man würde dem Ministerium Unrecht thun, wenn man seine Tendenzen, wie geschehen ist, mit denen der Consorteria einfach identificirte. Hervorgegangen aus einer durch Leute aller Parteien gebildeten Opposition, einer „leM üöZli uvmmi onesti," gegen die unwürdigen Finanzoperationen und Maßregelungen des Consorten-Cabinets Menabrea-Digny, konnte das Ministerium Lanza-Sella seinen Ursprung selbst dann nicht verleugnen, als es zur Sicherung der Finanzvorlage Sella's sich aus die Rechte und die Consorteria ausschließlich zu stützen genöthigt war. Sein Programm blieb unverändert: Consolidirung der Zustände im Innern durch strenge Oekonomie der Verwaltung und Ordnung der Finanzen: Ersparnisse bis zum Extrem an allen Theilen des Budgets, namentlich an der Armee und Marine, um die Bilanz herzustellen und den Staatsbankerott abzuwenden, und in Verbindung damit Verzicht aus jedes active Vorgehen in der auswärtigen Politik. Das einzige Mitglied des Kabinets. welches der Consorteria angehört, der Lombarde Visconti-Venosta, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, ist zugleich der Einzige unter allen auswärtigen Ministern Italiens seit Cavours Tode, der in den Zeiten seiner Amtsthätig, keit (er war schon zweimal im Amt, 1864 im Ministerium Minghetti und 1866 im Min. Ricasoli) es verstanden hat, das Vertrauen der Linken zu gewinnen. Er hat dies seinem loyalen und freimüthigen Auftreten zu danken, das ihn z. B. vermochte, in offener Kammersitzung seine Freundschaft und Verehrung für Mazzini zu bekennen. Eine bequeme, ruhige, klar denkende Natur, ist er schon von Gemüthsart ebensowenig zu ermüdenden Intriguen wie zu einer entschlußkräftigen Initiative aufgelegt, a n allerwenigsten zu gewagten Coups im Sinne seiner consorteristischen Collegen. Auch der Kriegsminister Govone. bekannt als italienischer Unterhändler des Allianzvertrags mit Preußen von 1866, zeigte sich, wiewohl eine Creatur La Mar- moras, doch einem Offensivbündniß mit Frankreich abgeneigt, nicht etwa