411
„Denn es werden noch stets die entschlossenen Völker gepriesen!" sagt Goethe, und der war gewiß kein Chauvinist. Berlin, September 1870.
K. Br.-W.
Eine nationale Pflicht.
Die Opfer, welche der Krieg auslegt, sind mannigfach und werden erst cillmälig zu vollem Bewußtsein kommen. So opferwillig und opferfreudig sich die weitesten Kreise zeigen, so trefflich sich die mildere Gesittung der Zeit in den vielartigen Veranstaltungen zur Linderung der schweren Leiden des Kriegs bewährt, es ist mit dem nicht gethan, was dem unmittelbaren Bedürfniß genügen, die unmittelbar entgegentretende Noth stillen soll. Was der Krieg in dieser Hinsicht fordert, ist viel und umfassend, aber doch gering im Vergleich zu den Opfern, die sich erst im Laufe der Zeit fühlbar machen werden, die mehr Nachwirkungen als Einwirkungen des Krieges sind. Das Jahr 1866 brachte dies deutlich zur Anschauung. Wie schwer der Krieg auf dem Lande lastete, seine Last wurde erst später im Jahre 1867 so recht empfunden, als Handel und Wandel, durch das Zusammentreffen anderer Umstände gedrückt, den nöthigen Aufschwung nicht alsbald zurückgewinnen wollten. In diesem Augenblick wurde uns bewußt, daß der Krieg für unser Volk eine schwere Krankheit gewesen, die dasselbe glücklich und leicht überstanden, die aber das Gesammtwesen zu sehr angegriffen, um auch leicht überwunden werden zu können. Vielleicht dürfen wir beim gegenwärtigen Krieg Günstigeres hoffen, da er uns in einer besseren politischen Lage traf und die fortschreitende nationale Einigung unfehlbar von heilsamem Einfluß auf die wirthschaftliche Entwickelung ist. In einer Beziehung wird der Krieg von 1870 aber immerhin stärker nachempfunden werden wie der von 1866. Er verlangt von beträchtlichen Theilen des deutschen Vaterlandes, von den gesegneten Gegenden an Rhein. Mosel und Saar. Opfer, die den hochentwickelten Wohlstand dieser Grenzlande ernstlich zu gefährden drohen.
Der Krieg muß in dieser Beziehung wie die zufälligen Naturereignisse, wie Ueberschwemmung, Hagelschlag. Mißwachs hingenommen werden, er ist eins der Opfer, welche die Staatsgemeinschaft den Bürgern auflegt ohne einen Rechtsanspruch auf Ersatz zu gewähren. Wie sollte es überall möglich sein die Schäden, die der Krieg im Gefolge hat, zur Ziffer zu bringen? Vernichtete
Hoffnungen, zerstörte Pläne, vereitelte Unternehmungen entziehen sich jeder
53*