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An Hegels hunderstem Geburtstag.
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Hegel'schen Geschichtsphilosophie. Diese Philosophie überhaupt, wie sehr sie nur im reinen Aether des Gedankens zu hausen scheint, hat sich doch zugleich aufs Beflissenste an die Wirklichkeit herangedrängt, sie hat sollen wir sagen so hartnäckig oder so ängstlich mit den realen Lebenszuständen Fühlung zu behaupten gesucht, daß der praktische Ernst, mit welchem wir heute an diesen Zuständen arbeiten, nur als die richtiger verstandene Ten­denz des Denkers erscheint, dem Alles, was da war, sowohl werth wie fähig schien,begriffen" zu werden. Mit bewundernswürdiger Beweglichkeit, es ist wahr, hat dies Begreifen das Schlechteste wie das Beste, vergängliche sowohl wie dauerberechtigte Verhältnisse verewigen wollen. Wenn Hegel im Jahre 1806 in dem Siege des französischen Imperators den Sieg der Bildung über die Rohheit des Geistes, über geistlosen Verstand und Klügelei erblickte, wenn er dann später nach dem Sturz des Usurpators den wiederhergestellten Bestand der deutschen Nationalität alsdes Grundes alles lebendigen Lebens" pries, so sind wir diese Unsicherheit der Gesinnung höchstens mit dem Fluch der Vaterlands- losigkeit zu entschuldigen im Stande, der damals auch den Gebildetsten unse­res Volkes das natürliche Gefühl verwirrte und abstumpfte. Nur im Ganzen und Großen, im Groben gleichsam hat dieser Mann die sittlichen Kräfte, er hat sie nur in der Masse und nach ihrem allgemeinen Gewicht zu wägen verstanden, während ihm die Feinfühligkeit für die unendliche Mannigfaltig­keit des individuellen sittlichen Lebens abging. Nicht der durchgebildete Reichthum der Beziehungen in der Wechselwirkung freier Persönlichkeiten hat seinen Blick angezogen: er hat die Freiheit nur in der Gestalt der organi- sirten Macht und die Seele der Freiheit nicht sowohl im Gewissen als in der Intelligenz erblickt. Ein großer Zug gleichwohl hat seine praktische Haltung und ebenso die Gestaltung seiner praktischen Philosophie geleitet. Er hat den Jnstinct für die Macht als für die erste, unerläßliche Bedingung alles staatlichen Lebens gehabt. Die Misere der Kleinstaaterei daher hat er. der geborne Württemberger, und der dann nacheinander in Frankfurt, in Jena, in Bamberg. Nürnberg, Heidelberg lebte, durchschauen gelernt. Daß Preußen und nur Preußen als derauf Intelligenz gebaute Staat" der Hort Deutschlands sei, das wurde für ihn zuletzt eine Ueberzeugung, der er in den härtesten und einseitigsten Formeln, in dem System seiner Rechts­philosophie einen Ausdruck gab. Wie für Fichte der kategorische Impera­tiv in den Tagen der Noth sich zum Imperativ des deutschen Patriotismus bestimmt hatte, so setzte jetzt Hegel seine Bewunderung des waffenstarken, von einem intelligenten Beamtenstande regierten und wohldisciplinirten preußi­schen Staates zu seiner Lehre vom absoluten Vernunftstaat, von dersich selbst wissenden Wirklichkeit des substantiellen Willens" um. Der gesunde praktische Verstand unseres Philosophen kleidete sich in ein metaphysisches

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