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Skizzen aus der Provinz Posen : II. Adel und Bauern.
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war, brauchte dieser das Gesetz freilich nicht, wenn aber der Bauer entwich, so war die Hülfe des Gesetzes zu seiner Wiedererlangung nöthig. Jahr­hunderte lang beschäftigte sich die Gesetzgebung mit dem Bauernstande nur, um Verordnungen gegen das Entweichen der Bauern zu treffen. Endlich, als das Reich dem Untergange nahe war. dachte man an eine Verbesserung der Lage des Bauern. Der Reichstag vom Jahre 1768 stellte in der Acte vom 24. Februar eine Reihe von Grundgesetzen für das Reich auf, die unter anderm dem Adel das Mg vitas et ueeis das Recht über Leben und Tod der unterthänigen Bauern nahmen und dies den Reichsgerichten über­trugen. Für dieses Zugeständniß aber ließ sich der Adel ebendort alle seine sonstigen Rechte und Privilegien in seinen Gütern und über seine Unterthanen ausdrücklich und für ewige Zeiten bestätigen. Das war Alles, wozu er sich verstand. Wenn die Lage der Bauern auf den zahlreichen Gütern der Geist­lichkeit, die sich mit dem Adel in die Herrschaft theilte und dieselben Privi­legien genoß, etwas besser war, als auf den adligen Gütern, wenn sie nament­lich dort einer willkürlichen Entziehung ihres Besitzes weniger ausgesetzt waren und dieser sich wohl anstandslos vom Vater auf den Sohn vererbte, so verdankten sie dies nur der größeren Milde ihres Gutsherrn.

Heute ist der polnische Bauer freier Eigenthümer seiner Hufe. Die ehe­maligen Lasten und Dienste sind in eine mäßige Geldrente verwandelt, die nur auf eine bestimmte Reihe von Jahren zu entrichten ist. Die Separation hat für die zweckmäßige Zusammenlegung der Grundstücke und für die Auf­hebung der schädlichen Gemeinheiten und Servituten gesorgt. Was sich jetzt noch dem Aufblühen des Bauernstandes entgegenstellt, ist hauptsächlich der aus seiner Vergangenheit überkommene Mangel an Trieb zur Thätigkeit, ferner seine Bedürfnißlosigkeit, die ihn lehrt, mit einem geringen Erwerbe zu­frieden zu sein, endlich die Zähigkeit, mit welcher der Bauer überall an ver­alteten, unzureichenden Principien des Wirthschaftsbetriebes festhält. Nicht mit einem Schlage konnte aus dem verkommenen Leibeigenen ein thätiger, intelligenter Landwirth werden. Allein die Entfesselung seiner wirthschaft­lichen Kräfte bei gesichertem Rechtszustande muß zur Folge haben, daß die noch auf ihm lastende Macht der Trägheit mehr und mehr weicht. Die vorschrei­tende Verbesserung der Communicationen, die wachsende Volkszahl und Wohl­habenheit der Städte, die ihm eine leichte und lohnende Verwerthung seiner Producte in Aussicht stellen, bilden einen mächtigen Antrieb zu energischerer Ausnutzung der Bodenkräfte. Schon ist der Ertrag der Grundstücke und deren Werth nach der Versicherung aller Deutschen, welche die ländlichen Verhältnisse der Provinz seit lange beobachtet haben, und nach dem Zeugnisse der Grundbücher im Laufe von dreißig bis vierzig Jahren um das Vierfache und darüber gestiegen.