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kundzuthun. Dieser Wachdienst auf vorgeschobenem Posten, mit seinen Sorgen und kleinen Abenteuern ist wieder ein eigenthümliches Kriegsbild, fesselnd wie eine Novelle. Wer aber die Schrecken eines Wald-Gefechts, die allmälige Zertrümmerung eines tactischen Körpers in stundenlangem Kampfe, den Wechsel von Erfolg und Niederlage, die Schicksale der einzelnen Trümmer und vieler tapferen Männer, eine Fülle von Spannung, furchtbarer Bedrängnis; und tapferem Aushurren in erschütternder Folge erkennen will, dem sei das Schicksal des Regiments am 3. Juli empfohlen. Es hatte den ersten Angriff auf den Wald, und den ersten Stoß des Armeecorps Thun zu ertragen, seine Compagnien wurden zuerst verbraucht, ihre Trümmer flogen und lagen im Walde nmher, fünf Stunden im Eisenhagel, in den gehäuften Schrecken eines Waldgefechts, die Reste hielten doch noch von Feinden umringt die letzten Gehöfte von Cistowes, und marschirten vorwärts bis Langenhof. Die Füsilire forderte sich der Kronprinz am Abend als Ehrenwache. Der Bericht des Verfassers erweist ein ungewöhnliches Talent für deutliche und fesselnde Erzählung. In den einleitenden Capiteln ist die militärische Loyalität — die wir übrigens von Herzen würdigen — für unsern Geschmack etwas zu reichlich mit den conventionellen hellen Wasserfarben geschildert, da aber, wo der Ernst der Kriegsarbeit beginnt, erhebt sich die Darstellung des Verfassers so schön zu männlicher Einfachheit und energischem Ausdruck, daß sich das Ganze liest, wie das beste Geschichtswerk, es läßt den Leser nicht mehr los, und in seiner Seele klingen alle die wechselnden Stimmungen nach, welche Führer und Mannschaft in den Tagen der Entscheidung durchlebten. Es ist ein gutes und wirkungsvolles Buch und wir wünschen dem Verfasser, daß ihm selbst und der Armee die Stellung, welche er dadurch in unserer Militärliteratur gewonnen hat, auch fernerhin zum Heile sei.
Gern möchte dies Bl. dem neuen illustrirten Prachtwerk mit vielen Holzschnitten: Der Deutsche Krieg von 1866. Von Th. Fontane. I. Bd. Berlin. R. v. Decker, das gleiche warme Lob zutheilen. Aber das Unternehmen leidet an zwet Uebelständen. Es kommt zu spät für die breite Anlage; das neugierige Interesse, welches noch vor zwei Jahren sehr groß war, ist jetzt bei dem behaglichen Käufer durch andere populäre Werke befriedigt. Dann entspricht die Erzählung nicht völlig der Tendenz eines illustrirten Werkes. Zu den leichten Bildchen eines solchen Plans gehört auch ein Text, der sorgfältig und reich schildert, fesselndes Detail, Anecdoten, spannende Momente einzelner und kleiner tactischer Körper, Stimmung in Landschaft und Situationen, das kleine und große Treiben im Heere, Abenteuer, Soldatencharaktere, Alles recht liebevoll und schmuckvoll darstellt. In solcher Weise geschrieben, als eine reiche Sammlung von Kriegsbildern, könnte das Unternehmen einen dauernden Werth erhalten und die Bedeutung eines ächten Volksbuchs. Aber der Verfasser hat der Versuchung nicht widerstanden, große Kriegsgeschichte zu schreiben mit Armeebefehlen, Ordres de Bataille, sogar einer Kritik und Rechtfertigung der leitenden Dispositionen. Das war nach dem Erscheinen der Generalstaatswerke und vieler Fachschristen doch nicht nöthig. Ost ist allerdings der militärische Bericht durch Mittheilung von Brieffragmenten und lebhaftere Beschreibungen der Oertlichkeit unterbrochen, aber das Ganze wird dadurch eine Mischung von zwei verschiedenen Darstellungsweisen, die keine von beiden zu voller Geltung kommen läßt, und es ist viel schönes Papier dazu verwandt. Von den Holzschnitten — die größeren und erfindungsreicheren nach K. Burgers Zeichnungen — werden dem Leser die besonders willkommen sein, welche Oertlichkeiten, und die, welche Köpfe gebliebener Officiere darstellen.
Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Hiithel » Segler in Leipzig.