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Rest guten Einvernehmens zwischen der cisleithanischen Regierung und den Ruthenen zu consumiren.
Im Gegensatz zu der bescheidenen, noch mit elementaren Schwierigkeiten kämpfcnden socialen Stellung des Lemberger Ruthenenthums, fühlen die Polen sich als die unbeschränkten Gebieter auch dieser Stadt. Die russische Bevölkerung freut sich ein Casino zu besitzen, die Polen haben deren drei; neben dem großrussischen Parteiorgan Slowo, und den kleinen Wochenschriften, welche in demselben Fahrwasser schwimmen, gibt es nur noch ein rutheni- sches Blatt, die von den Trümmern der specifisch kleinrussischen Fraction herausgegebene, kümmerliche Prawda, ein Lumpenblättchen das schon wegen seiner unsichern Schreibart und Orthographie auf einen höchst beschränkten Leserkreis angewiesen ist. Die Polen Lembergs besitzen — entsprechend den Parteien, in welche sie sich spalten — drei große, täglich erscheinende Zeitungen*), außerdem den erwähnten im russisch-panslavistischen Geist redigirten Slawjänin und das gleichfalls in ihrer Sprache erscheinende Regierungsorgan. In dem Staropygischen Institut sucht man vergebens nach andern als Schul- und Andachtsbüchern oder Volkskalendern — das Ossolineum enthält außer seiner großen polnischen Bibliothek, Tausende interessanter Handschriften und die Anfänge einer historischen Gemälde - Gallerte. Indessen die russische Bühne froh ist, im Narodny Dom Unterkunft gefunden zu haben und während der Wintermonate zwischen Lemberg, Przemysl, Stanislawo?e. alterni- ren zu können, um für zwei Wochenabende ein Publieum zu finden, besitzt das polnische Theater ein eigenes Haus (das Skarbek-Theater) und reichliche Unterstützung aus Landtagsmitteln. In dem vom Grafen Skarbek gestifteten Hause spielen einen Tag um den andern, deutsche und polnische Gesellschaften und obgleich die Ausstattung dieses Musentempels nach norddeutschen Begriffen ziemlich bescheiden ist (das Publicum sitzt in Pelz und Hut, zumeist auf Holzfltzen) erscheinen alle Vergleiche mit der im Saal des Volkshauses aufgeschlagenen Bühne ausgeschlossen. Das ziemlich geräumige und gut erleuchtete Theater hat ein erträgliches Orchester, die Coulissen sind sauber und anständig und die polnischen Schauspieler treten als wirkliche Künstler und Gentleman, die Damen in geschmackvollen Toiletten auf. Die beiden Lustspiele, deren Zeuge ich war, wurden höchst anständig, im Grunde besser
Es sind das: der „D-zisnniK xolski", der die konservativ-liberale, auf dem Boden des Dualismus stehende Richtung Goluchowski's und Zemicilkowski's vertritt (die Gegner nennen diese allein zurechnungsfähigen, polnischen Politiker schnbdcrwcise „die Mamcluckcupartci" weil dieselben mit der Regierung gehen), der „DusiirtiK I^ivovs»Iii", das Organ der Rcsolutio- nisten, die Galizien innerhalb der bestehenden Verfassung eine exceptionelle, autonome Stellung erobern und von der Bewilligung dieser ihr Verbleiben im Neichsrathe abhangig machen wollen, endlich die „kÄi-ottk naroüova" die Banncrttngerin Smolkas, der eine föderative Gestaltung des Kaiscrstaats und Herrschaft der radicalen Demokratie in Galizien fordert.