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Reisebilder aus Galizien : 4. Lemberg
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bergs bestellt: die katholischen Kirchen (St. Maria Schnee. St. Johannes, St. Stanislaus, Dom, Dominicaner Kirche u. s. w.) sind sämmtlich im Styl der Jesuitenzeit aufgeführt und ausgeschmückt; von dem in der Dominicaner­kirche aufgestellten Denkmal der Gräfin Dunin (einer Arbeit Thorwaldsens) abgesehen, enthält keine derselben ein Kunstwerk, das irgend von Interesse wäre. Dasselbe gilt von der griechischen.und den griechisch-unirten Kirchen. Zwei von den öffentlichen Plätzen sind mit Heiligen-Statuen geschmückt und an der Stelle wo die f. g. untere Stadtgasse (der Baumgang, der die Stadt von der östlichen Vorstadt scheidet) auf den Salzmarkt mündet, steht das Standbild eines Hetmanns, den ich nicht mehr zu nennen weiß, von dem ich aber annehmen will, daß er um das Wohl seiner Landsleute größere Verdienste erworben hat, als sein Bild um die Schönheit der galizischen Hauptstadt. So haben sich die Reize der Stadt, welche von den Höhen des Swenti-Jur und des Sandbergs einen so imposanten Anblick gewährte, bei näherer Betrachtung auf ein mehr wie bescheidenes Maß reducirt.

Den echtpolnischen Eindruck, den Lemberg macht, hat es den meist national gekleideten Jünglingen, die rauchend seine Straßen durchwandern zu danken und den polnischen Inschriften an den öffentlichen Gebäuden und den Läden. Nament­lich die von Deutschen und Juden unterhaltenen Geschäfte excelliren in pol­nischem Patriotismus und machen es ihren Commis und Ladenjungen zur heiligen Pflicht, im schnurbehangenen Rock hinter den Ladentischen zu stehen. An den Schaufenstern stehen fast nur polnische Bücher, der Bilderschmuck derselben besteht wesentlich aus Erinnerungen an den unglücklichen Aufstand von 1863 und photographischer Porträts der Parteiführer. Smolkas männ­lich schönes Antlitz scheint bei den Buch- und Bilderhändlern in besonderer Gunst zu stehen; gelegentlich begegnet man wohl auch den Bildnissen des Kai­sers von Oestreich und der Kaiserin. Wie erwähnt trägt die polnische Jugend der höheren Stände mit Vorliebe das nationale Kleid und die pelzverbrämte Confederatka; der Bürger, mag er Deutscher oder Ruthene sein, begnügt sich mit französisch zugeschnittenen Kleidern. Der Bauer (in der Umgegend Lembergs liegen zahlreiche polnische Dörfer) trägt einen groben schwarzen Rock mit einer Reihe langer spitzer Knöpfe und schmückt sein Haupt mit breitkrämpigem rundem Hut; sein federloser viereckiger Wagen wird von klei­nen kräftigen Pferden trotz des endlosen Koths der Gassen rasch einher ge­führt und der schnurrbärtige Geselle, der zu seinem Lenker bestellt ist, sieht munter und behaglich drein.

Aber das herrschende Element auf der Straße ist weder der Pari, noch der Bauer, noch der deutsche Bürger auch nicht der Soldat: auf allen Wen und Plätzen stehen Männer mit kühngebogenen Nasen, glühenden Augen