Contribution 
Stiftungsrechts-Reform.
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standen habe. Eine der Bewohnerinnen des von ihm ins Leben gerufenen Stifts mit Freiwohnungen hatte es ermöglicht, außer der ersparten Miethe noch jährlich 440 Thaler von verschiedenen Stiftungen herauszuschlagen, ein Einkommen, mit welchem jede Frau des Mittelstandes auskommen und das lange nicht jede durch ihrer Hände Arbeit verdienen kann. Daseigene Auge des Herrn" dürfte also, auf Stiftungen angewendet, keine hinlängliche Bürgschaft wachsamer Verwaltung sein, um die Oberaufsicht der Central- behörde entbehrlich zu machen.

Der gegenwärtige Präsident der Hamburger Bürgerschaft, Obergerichts­rath Dr. Baumeister, hat schon im August 1867 beantragt, das Vermögen der Wohlthätigkeitsstiftungen zur Staatscasse zu ziehen und später eine besondere kleine Schrift über die halböffentlichen milden Stiftungen seiner Vaterstadt folgen lassen, welche den zopfigen, überlebten Zuschnitt solcher pro­testantischen Jungfrauenklöster u. s. f. mit schlagendem Humor ins Licht stellt. In seiner Auffassung des Stiftungsrechts ist Dr. Baumeister zwar reformatorisch, aber kaum radieal genug, in seinem praktischen Vorschlage für Hamburg, geht er dagegen unseres Bedünkens ein gutes Stück zu weit. Die Confiscation der Wohlthätigkeitsstiftungen von Staatswegen, welche er empfiehlt, beleidigt die Pietät der Nachkommen gegen wohlmeinende Vor­fahren ohne Noth, zumal die in Hamburg allerdings eingerissene eigentliche Staatsarmenpflege keineswegs der Weisheit letzter Schluß ist. Umgekehrt, wären aus einer klugbemessenen, praktischen Stiftungsreform wohl die Mittel zu gewinnen, von der kahlen Höhe, auf welcher die Hamburger Armenpflege sich verstiegen hat, wieder herunterzukommen auf fruchtbarere Gefilde. Einst, gegen Ende des letzten Jahrhunderts war die Hamburger Armenpflege das herrschende Muster der Zeit, dem Braunschweig, München und andere damals besonders kräftig vorwärtsstrebende Städte die ihrige nachbildeten. Jetzt hat sie all- mälig den Freiwilltgkeits-Charakter, der nicht allein ihre Zierde, son­dern auch ihre Stärke war, ganz abgestreift, und Staatszuschüsse decken das jährlich sich herausstellende Deficit. Dabei ist Stillstand, wo nicht Rück­schritt das unvermeidliche Loos. Soll es wieder vorwärtsgehen, so muß der Staat seinemilde Hand" von den unterstützungfordernden Armen zu­rückziehen, die ja doch nur ein sehr unmilder Druck auf andere Arme zu füllen vermag, und dadurch die Armenverwaltung zu solcher Strenge und Sparsamkeit nöthigen, wie sie das Recht auf die Staatscasse Wechsel zu ziehen auf die Länge niemals wird aufkommen lassen; es müssen serner nicht nur die öffentlichen und halböffentlichen Stiftungen, sondern auch die der Wohl­thätigkeit dienenden Privatstiftungen eingeladen werden, nicht länger als Wildschützen in diesem Revier zu pürschen, sondern an der ordentlichen Jagd, in Reihe und Glied gestellt, sich zu betheiligen, damit der Zweck desto sicherer