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ticularer Justizhoheit in 22 mit souveräner Gerichtsbarkeit und Gesetzgebung ausgestatteten Staaten waltet eine so unversöhnbare Feindschaft ob, daß das Leben des Einen nothwendig den Tod des Anderen bedeuten muß. Selbst wenn der bevorstehenden Codification. worauf Heinze besonderes Gewicht legt, nicht ohne Weiteres das preußische Strafgesetzbuch mit seinem unaustilgbar einheitsstaatlichen Charakter zu Grunde gelegt wäre, würde immer schon allein in der Thatsache eines auf die Reichsgesetzgebung basirten codl- sicirten Strafrechts dieselbe Discrepanz zwischen dem Geiste einheitsstaatlichen Rechts und den Formen sonderstaatlicher Gerichtsverfassung hervortreten. Es darf wohl daran erinnert werden, daß die preußische Monarchie aus der Höhe ihrer landesherrlichen Allgewalt stand, ehe sie daran denken konnte, die buntscheckige Mannichfaltigkeit provinzialrechtlicher Gewohnheit und Praxis durch den letzten Titel des Allgem. Landrechts: „Von Verbrechen und deren Strafen" auch criminalpolitisch zu unifieiren. Weder der große Kurfürst, noch der Vater des großen Königs hätten Solches ihren Provinzen zuzu- muthen gewagt, so lange sie nicht in der Gerichtsverfassung ihre Souveränität über alle provinzialständischen, munizipalen und patrimonialen Gerichtsherr' schaffen gegründet hatten. Wenn wir heute im norddeutschen Staatswesen das umgekehrte Wagniß versuchen, so werden für geraume Zeit an die Charakterfestigkeit, die Urtheilskraft und den politischen Takt unserer Gerichtshöfe praktische Ausgaben von so schwieriger und verwirrender Art unfehlbar fortgesetzt herantreten, daß wir es dem Verfasser der „Erörterungen" nur Dank wissen können, wenn er vorbereitend auf das drohende Chaos hinweist.
Von den sechs staatsrechtlichen Abhandlungen, welche die „Erörterungen" enthalten, sind die letzten vier von besonderem Interesse, für den praktischen Juristen, wie für den Politiker. Nachdem der Herr Verfasser die formell unbeschränkte verfassungsmäßige Competenz der Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete des „Strasrechts" vertheidigt, und auf das unendlich schwierige Verhältniß hingewiesen hat. in welches die Landesgesetzgebungen in den vom Bundes-Straf-Gesetzbuch nicht erfaßten „Materien" durch die unverkennbaren Grenzlinien dieser Reservatrechte gerathen müssen — Schwierigkeiten und Colli- fionen, unter denen übrigens die außerpreußischen Particulargesetzgebungen am meisten leiden, und die schließlich wieder nur durch eine verschärfte „Beaufsichtigung" Seitens des Bundes im preußisch-unitarischen Sinne ihre Lösung finden werden — erörtert er in der dritten Abhandlung die Frage, ob der Entwurf ein einheitliches Strafrecht in Norddeutschland wirklich zu schaffen im Stande ist? Es ist sehr heilsam, in dieser Beziehung einige Illusionen zerstört zu sehen. Zunächst werden wir nach dem Wortlaut des Einführungsgesetzes nicht allein die politischen Materien der Preß- und Vereinsvergehen, sondern auch die ganze Zahl strafrechtlicher Borschriften über
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