Beitrag 
Die deutsche Rechtswissenschaft und die nationale Gesetzgebung.
Seite
377
Einzelbild herunterladen
 

377

ticularer Justizhoheit in 22 mit souveräner Gerichtsbarkeit und Gesetzgebung ausgestatteten Staaten waltet eine so unversöhnbare Feindschaft ob, daß das Leben des Einen nothwendig den Tod des Anderen bedeuten muß. Selbst wenn der bevorstehenden Codification. worauf Heinze besonderes Gewicht legt, nicht ohne Weiteres das preußische Strafgesetzbuch mit seinem unaus­tilgbar einheitsstaatlichen Charakter zu Grunde gelegt wäre, würde immer schon allein in der Thatsache eines auf die Reichsgesetzgebung basirten codl- sicirten Strafrechts dieselbe Discrepanz zwischen dem Geiste einheitsstaatlichen Rechts und den Formen sonderstaatlicher Gerichtsverfassung hervortreten. Es darf wohl daran erinnert werden, daß die preußische Monarchie aus der Höhe ihrer landesherrlichen Allgewalt stand, ehe sie daran denken konnte, die buntscheckige Mannichfaltigkeit provinzialrechtlicher Gewohnheit und Praxis durch den letzten Titel des Allgem. Landrechts:Von Verbrechen und deren Strafen" auch criminalpolitisch zu unifieiren. Weder der große Kurfürst, noch der Vater des großen Königs hätten Solches ihren Provinzen zuzu- muthen gewagt, so lange sie nicht in der Gerichtsverfassung ihre Souveränität über alle provinzialständischen, munizipalen und patrimonialen Gerichtsherr' schaffen gegründet hatten. Wenn wir heute im norddeutschen Staatswesen das umgekehrte Wagniß versuchen, so werden für geraume Zeit an die Charakter­festigkeit, die Urtheilskraft und den politischen Takt unserer Gerichtshöfe prak­tische Ausgaben von so schwieriger und verwirrender Art unfehlbar fortgesetzt herantreten, daß wir es dem Verfasser derErörterungen" nur Dank wissen können, wenn er vorbereitend auf das drohende Chaos hinweist.

Von den sechs staatsrechtlichen Abhandlungen, welche dieErörterungen" enthalten, sind die letzten vier von besonderem Interesse, für den praktischen Juristen, wie für den Politiker. Nachdem der Herr Verfasser die formell unbeschränkte verfassungsmäßige Competenz der Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete desStrasrechts" vertheidigt, und auf das unendlich schwierige Ver­hältniß hingewiesen hat. in welches die Landesgesetzgebungen in den vom Bundes-Straf-Gesetzbuch nicht erfaßtenMaterien" durch die unverkennbaren Grenzlinien dieser Reservatrechte gerathen müssen Schwierigkeiten und Colli- fionen, unter denen übrigens die außerpreußischen Particulargesetzgebungen am meisten leiden, und die schließlich wieder nur durch eine verschärfteBe­aufsichtigung" Seitens des Bundes im preußisch-unitarischen Sinne ihre Lösung finden werden erörtert er in der dritten Abhandlung die Frage, ob der Entwurf ein einheitliches Strafrecht in Norddeutschland wirklich zu schaffen im Stande ist? Es ist sehr heilsam, in dieser Beziehung einige Illusionen zerstört zu sehen. Zunächst werden wir nach dem Wortlaut des Einführungsgesetzes nicht allein die politischen Materien der Preß- und Ver­einsvergehen, sondern auch die ganze Zahl strafrechtlicher Borschriften über

Grenzvoten I. 1870. 48