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Der preußische Staat und Ernst Moritz Arndt : vorgetragen als Festrede am Krönungstage, dem 18. Januar 1870, in der öffentlichen Versammlung der deutschen Gesellschaft zu Königsberg in Preußen.
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waltigen Tagen an der Katzbach und bei Dennewitz und Leipzig nur nach dem Norden gerichtet, nach dem Volk, was zwischen der Weser, Elbe, Weichsel bis zum Pregel wohnt, nach dem glorreichen Stamm, der es beherrscht, nach den Hohenzollern. Hier sah er Deutschlands Zukunft ausdämmern, hier die Macht und Herrlichkeit, wovon wir schon 1813 und 1815 geträumt hatten." Arndt vertauschte die deutsche Cocarde. die er 1848 angelegt, mit der preußi­schen bei der Nachricht von der Erwerbung des Jcihdebusens.

Mit dieser politischen Zuversicht ging bei ihm eine ernste, immer pofi- tivere Religiosität Hand in Hand. Schon 1815 in der Vorrede zur dritten Auflage des Geistes der Zeit widerrief ermanche aus einem zu herben und und grünen Protestantismus ausgesprochene Aeußerungen über Kirche und Priesterthum, die er seinen lieben Landsleuten demüthig abbitte." Die lieben Landsleute werden freilich auch heute noch nicht müde, gerade diese Dinge für ihren Protestantismus zu verwerthen. Er selbst hat sich in der tiefsten und offensten Weise für die Freiheit, aber auch für die keusche Innerlichkeit christlichen Lebens immer von Neuem ausgesprochen. Das Lied, das er als Facsimile der letzten Ausgabe seiner Gedichte hinzufügte, zeigt deutlicher als Alles, was und wie er glaubte.

Sein Haus war und wurde, namentlich im Sommer, der Mittelpunkt eines Fremdenverkehrs, dessen immer wechselnden Eindrücken nur eine solche Natur, ohne zu ermüden, in ungebrochener Heiterkett und Schlagfertigkeit Stand halten konnte. Jeder Tag zeigte dann, daß unter diesem Dach viel­leicht der populärste Mann Deutschlands wohne.

Für den teilnehmenden Beobachter mochte die immer größere Ausdeh­nung seiner Popularität zugleich beweisen, wie sich die Grundanschauungen eines so reichbewegten Lebens, trotz aller Unklarheit und Formlosigkeit immer weiter verbreiteten, immer größere Kreise zogen.

Ohne eine besonders lebhafte Betheiligung an der Tagespresse, ohne eine bedeutende parlamentarische Thätigkeit, bei einer halb publicistischen, halb literärischen Wirksamkeit, man wäre bisweilen versucht, zu sagen, trotz der­selben war Arndt nicht nur der politische Märtyrer, an dessen Mißhandlung sich die Opposition allein erhitzte, sondern vielmehr der positive, ehrliche, oft un­klare, aber unverfälschte Repräsentant einer tiefgehenden, weitverbreiteten, immer weniger leidenschaftlichen, aber immer wärmeren und tieferen politi­schen Ueberzeugung geworden.

Es war ihm nicht vergönnt, die Verwirklichung seiner Hoffnungen im Jahre 1866 zu erleben. Wie wenig oder wie sehr die jetzige Gestaltung unserer Verhältnisse ihnen entsprochen hätte, das zeigen die merkwürdigen Gedanken, die er schon im Herbst 1814 über den wahrscheinlichen Gang der deutschen Entwickelung und über die einzig richtige Form einer