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Philippe de Commynes.
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in dem gleichen Sinne entschieden") und alle neueren Untersuchungen, die vornehmlich von belgischen Gelehrten angestellt worden sind, haben dasselbe Resultat ergeben"). Commynes hat darnach freilich keine urkundlich beglau­bigte, nach allen Seiten gleichmäßig ausführliche Geschichte seiner Zeit ge­schrieben; er hat nur Erinnerungen aus seinem Leben aufgezeichnet, bei denen ihn sein Gedächtniß manchmal täuschte und innerhalb denen auch einige wichtigere Ereignisse jener Tage keine Stelle fanden; es läßt sich aber keines­wegs nachweisen, daß er den Thatbestand, den er zu überliefern hatte, durch Reden oder durch Verschweigen absichtlich fälschte, und es tritt im Gegen­theile klar hervor, daß er sittlich verwerfliche Maßregeln der zeitgenössischen Fürsten und vornehmlich Ludwig's XI. ohne irgend eine Verschleierung mit­theilt.

Gerade dies führt nun aber auf die höchst eigenthümliche sittliche Hal­tung, welche Commynes als Schriftsteller zeigt. Es ist wahr, er spricht mehrfach in großsinniger Weise über das Wohl der Staaten und der Völker; er tadelt offen einige abscheuliche Verbrechen, deren Zeuge er gewesen ist; er erhebt sich, nachdem er die letzten von Angst und Qualen erfüllten Tage Ludwig's XI. dargestellt hat, zu einer erhabenen Rede über das Thema, wie viel besser es wäre, wenn die Fürsten weniger Uebles thäten und mehr Gott liebten. Aber trotz alledem zeigt er, daß eine gemeine Weltklugheit, die von einer reinen und sicheren Sittlichkeit vollständig verurtheilt werden muß, ihm nicht tadelnswerth erscheint; das Wohl der Staaten erlaubt nach seiner Mei­nung, daß man gegen einen Feind auch andere als offene und ehrliche Mittel anwende; nur müsse man sein Ziel erreichen, denn diejenigen, welche Macht gewinnen, haben immer Ehre***), während es eine große Schande ist, sich betrügen zu lassen und durch eigenes Ungeschick zu Grunde zu gehen.

Diese bedenkliche Schwäche politischer Moral tritt in den Memoiren Commynes' bei näherer Prüfung aller Orten und oft in abschreckender Weise hervor. Uns tromxeris nennt er einmal uno Iradiletö und setzt hinzu: ainki qu'on 1a voucirg, nommer, ear eile tut Kien oonäuits. Nach seiner Meinung gibt es zwei Arten von Fürsten: sagss ot kols: lg. LSZessö eonsists . . . . lians 1'g.rt ä'aeeroitrs ss, Missavce, Zu diplomatischen Verhandlungen hat

') vs ?nilipxi vomivÄLi üäv Kistoi'iea. <lo!w. (Zluil. I^osbsll. Loniürs 1832.

Nur Camille Picquö braucht in einem kleinen Memoire über Commynes scharfe Aus­drücke gegen dessen Wahrhaftigkeit, vt'. Nvmoiros eouronnüs Äs l'irvirä. Lklgiquö, XII. 18S4.

N-Zm. II, 6S. Die folgenden Citate find sämmtlich den Memoiren Commynes' ent­nommen. Kervyn de Lettenhove hat einen Theil derselben Stellen, außerdem aber noch eine große Zahl ähnlicher Aussprüche Commynes' zu dessen Charakteristik benutzt. Dasselbe haben auch Picquü und Varenbergh in ihren Abhandlungen über Commynes gethan. (Zk. Uömoires oouwimös äs l'irvirüömiiz clv LolAi<iu6, XVI, 64.