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Die deutschen Bischöfe und das Concilium.
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stimmen, durch die Majorität zum Glaubenssatz gemacht wird. Wir haben auch keinerlei Bürgschaft dafür, daß die Opposition der Kirchenfürsten den Widerstand über das Concil hinaus fortsetzen wird, vielleicht wird die Minorität damit zufrieden sein, dem Gewissen vor dem Beschluß durch Worte und Ab­stimmung genügt zu haben. Auch ist uns ziemlich zweifellos, daß die Laien der Kirche sich diese neue dogmatische Festsetzung zunächst ebenso duldend werden gefallen lassen, als jene proclamirte Jungfräulichkeit von der Mutter der heiligen Jungfrau. Auch die Opposition der Staatsregierungen wird voraus­sichtlich furchtsam und kraftlos sein, wie seither bei allen Fragen der katho­lischen Kirche.

Dennoch ist ein Fehler in der ultramontanen Rechnung. Zwischen dem Jahrhundert, in welchem durch das tridentinische Concil die Herrschaft der Jesuiten begann, und zwischen dem neuen Concilium zu Rom, liegt die große Ausbildung der Zeitungspresse und der geistigen und politischen Freiheit des Individuums. Die Presse sorgt dafür, daß das Volk seine Leiden nicht vergißt, und das gesteigerte Freiheitsgefühl sorgt dafür, daß der Einzelne mit größerer Energie an den Schranken rüttelt, welche seine Bewegung einengen. Das Schisma, welches durch den Papst selbst in die Kirche gebracht worden ist, wird in den Seelen dieser und späterer Generationen nicht getilgt, was jetzt dem Gewissen vieler Deutschen unerträglich scheint, wird als Gebot der Kirche derselben die Hochachtung nicht vermehren, die Bischöfe selbst werden ihre Abneigung und Mißachtung gegen Vieles, was sie in Rom gesehen und erlebt, in ihre Heimath tragen, und der fanatische Eifer der siegreichen Partei wird dafür arbeiten, daß in jeder Diöcese der Kampf fortgesetzt wird, welcher in diesem Jahre zu Rom begonnen hat. Und ob jetzt durch die Führer der Opposition, oder ob nach langsamem Aufsprießen des jetzt gestreuten Samens der Tag wird kommen und der Mann wird kommen, welche die apostolischen Rechte der katholichen Kirche Deutschlands von einer römischen Prälaten- coterie zurückfordern.

Wir sind Ketzer, wir sind daran gewöhnt, daß gerade das in Rom ver­flucht wird, was wir für das Edelste und Beste unserer geistigen Habe hat- ten. Wir bescheiden uns deshalb auch jetzt mit der Rolle fernstehender Be­obachter, aber wir wissen sehr wohl, daß das Dogma von der Unfehlbar­keit des römischen Bischofs keine innere Angelegenheit der katholischen Kirche ist, sondern ein Satz von der größten politischen Bedeutung, welcher, wenn er zum Kirchengesetz erhoben würde, uns das Zusammenleben mit unseren katholischen Landsleuten sehr schwierig machen würde. Und deshalb dürfen auch wir Protestanten sagen, daß unsere besten Wünsche bei den Kirchenfür­sten unserer Nation sind, welche jetzt in Rom den edeln Stolz haben, sich gegenüber der römischen Partei als Deutsche zu fühlen.