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Die bayrische Adreßdebatte.
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der unmittelbare königliche Erlaß vom 1. Februar, welcher die Adresse an ihrer schwächsten Seite faßend erklärte, daß dieselbe durch principielle An­griffe ans den Gesammtbestand des gegenwärtigen Ministeriums ohne jede thatsächliche oder gesetzlich greisbare Begründung dem Geist der Versöhnung nicht entsprochen, den der Monarch erwartet habe und demselben die An­nahme aus diesem Grunde unmöglich geworden sei.

Man würde irren, wenn man das energische Vorgehen des Königs nur den Ereignissen der letztvergangenen Tage zuschreiben wollte. Es ist eine stadtkundige Thatsache, daß Ludwig II. von tiefem Mißtrauen gegen einen Theil seiner nächsten Verwandten erfüllt ist, und daß die Thätigkeit, welche Prinz Luitpold und seine Söhne bei der Adreßdebatte entfalteten, nur das Maß voll machte. Es ist ja auch an und für sich ganz unwahrscheinlich, daß ein so auffallender Schritt, wie die Verweisung der Prinzen vom Hof, die Folge einer Abstimmung in der Kammer gewesen sein sollte. Was indessen der wahre Grund war, läßt sich öffentlich noch nicht sagen.

Es scheint nach den letzten Vorgängen gewiß, daß wir in der aller­nächsten Zeit einer Aenderung in der Zusammensetzung des Ministeriums nicht entgegenzusehen haben. Ob indessen die Position desselben auf die Dauer haltbar sein wird, ob die Minister selbst den moralischen Muth hyben wer­den, ihre Politik gegen den ausgesprochenen Willen der beiden Kammern durchzuführen, wird sehr bezweifelt. Wenigstens verlautet jetzt schon, daß Fürst Hohenlohe den König nochmals dringend um seine Entlassung ersucht habe, und man nennt als seinen Nachfolger bereits den Freih. v. Perglas, den jetzigen Gesandten in Berlin. Glauben Sie indessen nicht, daß, wenn es wirklich zu einer Aenderung kommt, man die neuen Minister aus den Reihen der Patrioten nehmen wird. Dieß würde allen bisherigen Traditionen wi­dersprechen. Man wird, wie auch früher stets, nach einigen befähigten Be­amten greifen, die eine ausgesprochene politische Farbe nicht zur Schau ge­tragen haben, und mit Rücksicht darauf stellen wir uns den Sieg der Pa­trioten keineswegs so groß vor, wie dies gewöhnlich geschieht.

Das sind in kurzen Umrissen die Ereignisse, welche sich aus der Adreß­debatte der Reichsräthe bisher entwickelt haben. Was die Debatte der Kam­mer der Abgeordneten betrifft, so wird dieselbe voraussichtlich noch eine volle Woche in Anspruch nehmen, und ein definitives Urtheil ist in Folge dessen in dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben werden, kaum möglich. Be­merkenswerth und erfreulich ist aber schon jetzt, welche Fülle von Talenten und mannhasten Charakteren die Linke dieses Hauses in den Kampf führen konnte; das liberale Bayern hat allen Grund, auf seine Vertreter stolz sein.

Berichtigungen.

In Nr. S S. 186 Z. 14 v. u. lies lehrhafter st. lebhafter. S. 186 Z. 9 v. u. gehört das.Komma erst nach 'Schlacht'. S. 187 Z. 8 v, u. lies Bataillenarmee st. Bataillonarmee. S. 192 Z. 14 v. u. lies Früheren st. Führern.

In Nr. 6 S. 202 Z. 20 v. o. lies borge st, bringt. S. 207 Z. 21 lies radicirt st- re- ducirt. S. 220 Z. 11 v. u. ließ Ueberschuß st. Ueberfluß

Verantwortliche Redacteure: Gnstav Frcytag u. Znlius Eckardt. Verlag von F. L. Herbig. - Druck von Hüthel H Legler in Leipzig,