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Mecklenburgische Landtags-Correspondenz.
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Als die für den Schluß übliche Zeit im Jahre 1868 gekommen war, waren die damals in Malchin versammelten Stände gerade fo weit wie heute, d. h. sie hatten sich unter einander und mit der Regierung über die einer Revision durch die neuen Verhältnisse absolut bedürftig gewordene Steuergesetzgebung*) nicht einigen können, und es war schon damals ein ver­zweifelter Versuch, eine solche Einigung in der über Neujahr 1869 hinaus verlängerten Session anzustreben. Die Stände wurden Anfang Januar mit der Verheißung entlassen, daß landesherrliche Commissarien mit ihren Depu­taten die Verhandlungen fortsetzen sollten, um für den jetzigen Sternberger Landtag eine Verhandlungsbasis zu gewinnen. Einberufen wurden im Laufe des Sommers nur die Deputirten der Landschaft, denn diese hatten sich in Malchin am schwierigsten gezeigt, und das Ergebniß der mit diesen gepflogenen Be­sprechungen war der oben erwähnte revidirte Gesetzentwurf. Während ursprünglich ein der preußischen Einkommensteuer nachgebildetes Steuersystem in Aussicht genommen war, das im Princip als das einfachste und ratio­nellste allseitig gutgeheißen wurde, gab der revidirte Entwurf dasselbe auf und setzte an seine Stelle ein weit complicirteres System, indem er Unter Beibehaltung einzelner der früheren Steuern (Hufen-und Haussteuer) für die übrigen eine Reihe sogenannter Factorensteuern vorschlug. Mit der Aufzählung derselben können die Leser nicht verschont werden: besteuert werden sollten: das Vieh, die Fronten der Wohnhäuser, die Einnahme aus Pacht­verträgen, der Gewerbebetrieb, die Besoldungen, der Lohn der Dienstboten »c>, der Erwerb der Advocaten, Aerzte u. s. w. und die Zinsen des Capital­vermögens. Am weitesten gehen die Ansichten auseinander in Bezug auf die Viehsteuer und die Frontsteuer; erstere wollte die Landschaft, letztere die Ritterschaft bewilligen, aber erstere lehnte die Ritterschaft ab und letztere die Landschaft.

Die neuesten Vorschläge sind auf Besteuerung des Grundbesitzes nach dessen Ertragsfähigkeit und der Wohnhäuser nach deren wirklichem Mieth­werth gerichtet; dafür sollen die früher prosvictrten Vieh- und Frontsteuern wegfallen, daneben aber die übrigen Factorensteuern bei Bestand bleiben.

*) Bis zu welchem Grade die Unzuträglichkciten des derzeitigen Steuermodus gediehen sind, dafür möge die eine Anführung genügen, daß die Landschaft sich weigert, die Handelsclassen-, Schlacht- und Mahlsteuer auch nur für die Dauer des Provisoriums bis zum Zustandekommen des neuen Gesetzes fortzubezahlen, weil sie nicht ferner in dem landeSgrundgesetzlich ihr be­stätigten Privileg des Gewerbebetriebes geschützt werde. Die Regierung erkennt die Berechti­gung dieses Widerspruchs nicht an und um die Renitenz der Städte symbolisch zu brechen wurde dem Bürgermeister der Vorderstadt Güstrow ein Mann Militär als Execution ins Haus gelegt, t Ein Mann, der historische Grenadier Schlie, sprengte zur Zeit der konstitutionellen Aera den renitenten Engeren Ausschuß der aufgehobenen Ritter- und Landschaft auseinander!) Run ist die Steuerzahlung zwar erfolgt, die Landschaft hat aber beschlossen, ihr Widerspruchs- recht gegen die Forterhebnng der gedachten Steuern im Wege Rechtens zu verfolgen.

Grcnzboten I. 1870. 18