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das verhängnißvolle Gelübde abgerungen haben, nach seiner Thronbesteigung den Jesuiten das Thor des Kremel zu öffnen und mit ihnen gemeinsam an der Unterwerfung des rechtgläubigen Moskau unter die Curie zu arbeiten. Und als später die Kunde von den ersten Siegen erscholl, welche der Usurpator erfochten, von der Niederlage und dem Uebertritt Bassmanow's und dem plötzlichen Tode Godunow's, wurde hier in des Königs Privatheiligthum das lecloum gesungen, das mit Rücksicht auf die bestehenden Verträge und den hartnäckigen Widerspruch Sapieha's gegen das ganze abenteuerliche Unternehmen, in der Kirche des Staats nicht gewagt werden durfte. — Gespenstisch raucht eine Erinnerung, ein Bild nach dem andern an dieser Stätte auf. die in der Politik des 16. und 17. Jahrhunderts eine nur allzuwichtige Rolle gespielt hat, an der Gedanken geboren und groß gezogen worden sind, welche noch heute Fleisch und Bein haben und. oft tobtgesagt, noch immer am Leben sind.
Aber die Zeit drängt und an der Thür steht ein grauer, schnurrbärtiger Mann, in weißem Chorrock, halb Soldat, halb Priester, der die Fremden in die Schatzkammer führen soll. Rechts vom Ausgang aus der königlichen Privatcapelle, unweit des Hochaltars, führt eine schmucklose Thür in einen Raum, der zugleich zur Sacristei und zur Schatzkammer für die Reliquien der alten polnischen Könige dient, welche in ungeheuren, in die Wand gefügten Eichenholzschränken ausbewahrt werden. In der Mitte dieses Gemachs steht ein großer runder Tisch von grauem Marmor, auffallend durch die zahlreichen Halbmonde, welche in seine Platte eingelegt sind. An diesem Tisch hat Kara Mustapha mit seinen Paschas und Beys vor Wien getaselt, als er die Kaiserstadt bereits für seine Beute ansah und den .Halbmond auf den St. Stephan zu pflanzen gelobte; Johann Sobiesky, dem dieses kostbare Beutestück nach der Schlacht vom 12, September 1683 zufiel, hat dasselbe in die Cathedrale seines Reichs gestiftet. — Inzwischen hat der Saeristan seine Schränke geöffnet und die in denselben aufgestellten Reliquien stehen an Mannigfaltigkeit und Interesse kaum hinter den Denkmälern des Doms zurück: das auf dem Grabe des letzten Jagellonen zerbrochene Schwert der Fürsten aus dem Hause Gedimins des Litthauers, — der Säbel, den So- bicskl vor Wien getragen — Krone. Krönungsmantel und Krönungsschwert der polnischen Könige — der riesige, für eine übermenschliche Hand berechnete Siegelring König Boleslaws des Kühnen — das alte Scepter der polnischen Könige, eine kurze Lanze von braunem Eichenholz mit kunstreicher Eisenspitze, von Kaiser Otto III. Boleslaw dem Tapferen im Jahre 1000 bei Gelegenheit eines Besuchs in Gnesen geschenkt — eine Tiara von der Hand der Königin Maria Lesczynska gestickt — die mächtige »goldene Rose, welche Bene- dictXIV. der ebenso frommen wie unglücklichen Gemahlin Ludwigs XV. verlieh — endlich der Fürstenmantel Joseph Poniatowskt's, sowie Uniform und Kreuz der Ehrenlegion, welche an der Leiche des tapferen Feldherrn gefunden worden waren, in dem die polnischen Legionen Napoleons bereits den Herrscher des wiederhergestellten großpvlnischen Staats verehrt hatten.
„Noxe M,n eb.es ^odas^e Mep" fragte der alte Führer, der an der Thür stehen geblieben war, während der mit der Obhut über die Ueber- bleibsel polnischer Königsherrlichkeit betraute Sacristan diese vorgewiesen und erklärt hatte, — „der Herr will wahrscheinlich auch noch die Krypta sehen." Geführt von dem Alten, der aussah als habe er mehr wie ein Mal die Sense für sein Vaterland getragen, begab unsere kleine Schaar sich in die Kirche zurück. Dicht am Portal blieb der Alte stehen um mit Hilfe eines Gefährten die kupferne Fallthür zu öffnen, welche in die unter dem Langhaus