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Böhmen manchen blutigen Strauß ausgefochten, über die Gefilde, durch welche uns jetzt der brausende Zug nach Krakau führt, find im dreizehnten Jahrhundert jene Mongolenschaaren'gezogen, welche nach der Eroberung Krakaus vor die Thore von Liegnitz zogen, um von den todesmuthigen Männern zurückgeschlagen zu werden, welche hier die Cultur des gesammten Welttheils vertheidigten. Seit 1320. wo König Wladislaw Lokietik Krakau zur Haupt- und Residenzstadt erobert hatte, bildete diese Landschaft das Herz der mächtigen Republik, welcher alles Land vom baltischen bis zum schwarzen Meer unterthänig war und die nicht nur über Alles gebot, was polnisch redete, sondern auf Roth-Schwarz- und Weißrussen, Kosaken, Samogitier und Litthauer als Herrscherin herabsah; die Fürsten und Edlen dieser Stämme schätzten sich glücklich Polen werden zu dürfen, während das leibeigene Volk derselben mühsam Ueberreste des alten Volksthums und der orientalischen Kirche, zu welcher seine Väter sich bekannt hatten, vor dem Eindrang abendländischer Sitte und lateinischen Cultus bewahrte. Bis zum 1.1609, wo Sigismund III. den Sitz der Negierung nach Warschau verlegte, strömte Alles, was zur herrschenden Classe gehörte in diese Landschaft, die Zeugin der glänzenden Feste, der tumultuösen Reichstage und endlosen Intriguen, in denen das Leben der Söhne dieser Republik »erbrauste. Der Bischof von Krakau waltete als Fürst von Severien über Stadt und Landschaft Krakaus und auch nach der Verlegung der Residenz spielte dieselbe als Krönungsstadt im Leben des Staats eine wichtige Rolle. Selbst nach der ersten Einnahme durch die Russen»(1768) blieb Severien noch mehrere Jahrzehnte lang von fremder Herrschaft frei, erst nach der dritten Theilung Polens (1793) gerieth es in den Besitz Oestreichs, welches dieses Territorium mit Westgalizien verband; von 1809—1813 dem Herzogthum Warschau eingefügt, wurde das alte polnische Kronland auf dem Wiener Congreß zur Republik erklärt und bildete als solche einunddreißig Jahre lang den Mittelpunkt aller polnischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Die im I. 1846 von den drei Schutzmächten vollzogene Besetzung endete mit der im November desselben Jahres dekretirten Einverleibung der Republik in die östreichische Monarchie.
Westlich von Krcikrau gelangt man auf kleinpolnischen Boden, in einen Landstrich, der von seinen ehemaligen Hauptstädten Sandomir und Lublin bei Gelegenheit der ersten Theilung' Polens abgerissen und mit den benachbarten rothrussischen, podolischen und wolynischen Wojewodschaften zu einem Ganzen verbunden wurde. Die Bewohner der Kreise, welche diesen zweiten Theil Westgaliziens bilden, sind weißchrobatischen Ursprungs und' erst in neuster Zeit mit Krakau. das bis dazu eine Sonderexistenz geführt hatte, verbunden worden. Bis zum 40" östlicher Länge bilden Nachkommen der Kleinpolen die ausschließliche Bevölkerung des Landes und herrscht unbestritten polnisch-katholische Tradition. Aber schon zwischen dem 40« und 42° ö. L. wird es anders, vermischen ihre Wohnsitze sich mit denen der Ruthenen. welche allmälig über den alten Grenzfluß, den San nach Osten vorgerückt sind und fast drei Viertheile der Bevölkerung bilden. So trägt das Land, welches zwischen dem alten Severien und Nothrußland liegt, wiederum einen andern Charakter als seine Nachbarschaft und der westliche Theil Galiziens zeigt ein dreifach verschiedenes Antlitz: an die polonisirten Kreise von Auschwitz und Zator stößt das alte Severien, das seinen polnischen Charakter am längsten bewahrt hat, in dem ein Theil der Einwohnerschaft unter den Traditionen einer selbständigen Republik aufgewachsen ist und das darum ein starkes Sonderbewußtsein hat. Hier weiß man wenig von den erbitterten Kämpfen, die weiter im Osten mit den Kleinrussen geführt werden, hier hätte man Nichts dawider, wenn das Land