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nellen Verfassung in Mecklenburg und den Anschluß des Fürstentums Ratze- bürg an dieselbe bezweckte. Die deutsche Bundesversammlung, obgleich verpflichtet, die Ausführung der Bestimmungen der Bundesacte zu überwachen, schaute der Unthätigkeit 'der strelitzischen Regierung hinsichtlich der Ausführung des Artikel 13 während der ganzen mehr als fünfzigjährigen Dauer ihres Daseins mit erhabener Gleichgiltigkeit zu. Auch aus dem Lande selbst erhob sich bis in das letzte Jahrzehend hinein keine Stimme, welche die Regierung an ihre Pflicht erinnerte. Die einfachen Verhältnisse und der auf politische Dinge wenig gerichtete Blick der Bevölkerung ließen das Verlangen nach einer Theilnahme an der Regelung ihrer Angelegenheiten nur allmälig reifen. Es bedürfte erst einiger unsanft ausrüttelnder gesetzgeberischer Handlungen der Negierung, um den Ratzeburgern das, was ihnen fehlte, zum Bewußtsein zu bringen.
Was die Bewohner des Fürstenthums zunächst aus ihrer Ruhe erweckte, waren verschiedene bisher unbekannte Steuern, welche die Regierung einführte. Dann folgten einzelne Beschränkungen des Gewerbebetriebes, ein Jagdsrevelgesetz, welches den Besitz eines Jagdgewehrs sür die Bauern von einer nachzusuchenden Erlaubniß abhängig machte, ein neues, das Recht der letztwilligen Verfügung einengendes bäuerliches Erbfolgegesetz, endlich die beabsichtigte Einschließung des Fürstenthums in die mecklenburgische Zolllinie und die damit verbundene Absperrung der Bevölkerung gegen ihre Verkehrs- Hauptstadt Lübeck. Zwar gelang es ihrer jetzt erwachenden Energie, diese letztere Maßregel, welche im Jahre 1863 mit der Einführung des mecklenburgischen Grenzzollsystems ins Werk gesetzt werden sollte, noch in eilster Stunde abzuwenden. Aber jetzt hatte auch schon die Ueberzeugung, daß nur eine Verfassung gegen die Wiederkehr bedrückender Verfügungen Schutz gewähren könne, sich in weiteren Kreisen Bahn gebrochen. Unter der Führung des Advocaten Kindler zu Schönberg, dessen kräftiger Einsprache das Land schon die Abwendung des Grenzzolls verdankte, vereinigten sich fast sämmtliche Hauswirthe des Fürstenthums und viele Bürger der Stadt Schönberg, im Ganzen 653 Personen, zu der Bitte an die Landesregierung zu Neustrelitz, daß dieselbe in Befolgung des Artikel 13 der deutschen Bundesacte auch für das Fürstenthum Ratzeburg die Einführung einer landständischen Verfassung anordnen wolle.
Auf diese im April 1862 abgegangene Petition ist zwar, im Einklänge mit der von den beiden mecklenburgischen Regierungen in neuerer Zeit beobachteten Taetik, mißliebigen politischen Anträgen kaltes Schweigen entgegenzusetzen, niemals eine Antwort erfolgt; aber es sollte nun bald der Zeitpunkt erscheinen, wo einer von anderer Seite herankommenden Nöthigung gegenüber, die Regierung weder ihr Schweigen noch ihren Widerstand