3SS
Man mochte wohl denken, hierzu um so eher die Bestätigung des Senats zu erlangen, als derselbe früher der Stephani-Gemeinde gleichartige Bedingungen einer zukünftigen Mehrheit an statutarische Beschränkungen ihres Wahlrechts hatte passiren lassen. Allein man hatte sich doch in dem Senat geirrt. Er ließ sich nicht in der Schlinge falscher Consequenz fangen, sondern erklärte geradezu, neuerliche Vorgänge — d. h. die Schwalb'schen Händel — hätten ihm die Ueberzeugung aufgedrungen, es sei besser, solchen Mißbräuchen des gemeindlichen Selbstbestimmungsrechts zum Schaden der eigenen Freiheit zu wehren. Er gebrauchte folglich seine absolute Gewalt, um Lehrfreiheit und Wahlfreiheit sogar gegen freiwillige Selbstbeschränkung einer verfassunggebenden Gemeindemehrheit in Schutz zu nehmen. Würdiger kann dieses überlebte alte Recht heutzutage nicht benutzt werden. Wenn es der freien Kirche der Zukunft gesicherte Lehrfreiheit als seine Mitgift in die Wiege legt, so hat es einen Abschied von der Welt genommen, wie nicht viele ähnliche veraltete Vorrechte.
Briefe vom preußischen Landtag II.
Berlin, Ende November.
Als das bedeutendste parlamentarische Ereigniß der letzten Woche wird von allen Freunden der nationalen Sache die Annahme des MiquebLasker'- schen Antrages auf Ausdehnung der Bundescompetenz über das gesammte bürgerliche Recht betrachtet. Schon durch das Votum des Herrenhauses in Betreff des Lippe'schen Antrages war die Niederlage des specifisch-preußischen Particularismus eonstatirt worden. Leider hatte jedoch die von dieser Seite ausgegangene Agitation außerhalb Preußens sofort ihre Wirkung gethan und ein erneutes Sturmlaufen gegen die Bundesinstitutionen veranlaßt. Die Majorität, mit der im Herrenhause der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen wurde, war überdies nur eine geringe gewesen, und der Eindruck dieses Beschlusses wurde noch dadurch abgeschwächt, daß man hinterher von einer durch den Bundeskanzler auf die Abstimmung ausgeübten Pression erfuhr. Es war dem gegenüber von um so größerer Wichtigkeit, daß das preußische Abgeordnetenhaus seinerseits ein deutliches Zeugniß dafür ablegte, daß es zu der Gesetzgebung des Bundes Vertrauen hegt und daß es nicht gesonnen ist, aus Gründen particularistischer Eifersucht das dem Bunde durch seine Versassung verbürgte Recht der Competenzcrweiterung zu be- streiten.
50*