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Die Lehrfreiheit in der protestantischen Kirche.
Bremen, Ende November.
Einer der großen Grundsätze, mit denen der Protestantenverein gegenwärtig die Erneuerung der evangelischen Kirche unternimmt, die Lehrsreiheit, ist soeben aus einer ziemlich ernsthaften thatsächlichen Prüfung siegreich hervorgegangen. Die einzelnen Vorgänge sind, ein jeder zu seiner Zeit, durch die Zeitungen bekannt geworden, verdienen aber wohl auch einmal übersichtlich zusammengefaßt zu werden.
Der Schauplatz ist die Stadt Bremen, ein Gebiet, wo Lutheraner und Reformirte zwar nicht in rechtlicher, aber in faetischer Union durch einander leben, wo aber noch keine Synodaleinrichtungen das Ganze der Kirche konstitutionell umgestaltet haben, sondern der Senat bis jetzt fortfährt, als „oberster Landesbischof" das absolute Kirchenregiment zu üben. Bis vor Kurzem galt Bremen in der Christenheit dafür, eine nicht viel geringere Stätte blühenden alt christlichen Lebens zu sein, als etwa Basel oder das Wupperthal. Die Absetzung des lichtfreundlichen und revolutionären Pastor Dulon — im Anfang der vierziger Jahre — hatte damit nichts zu thun; sie geschah wesentlich aus politischen Gründen, im Interesse der Unabhängigkeit der Republik und war das Werk des alten Bürgermeisters Smidt, des Hauptgegners der Orthodoxen und Pietisten, denen er den Daumen kräftig aufs Auge gedrückt hielt. Dafür, daß der Senat in seiner ausgemachten Mehrheit rationalistisch-liberal bleibe, sorgte eine feststehende Maxime bei allen Neuwahlen. Es gab auch von jeher freisinnige, vernunftgläubige Prediger, wie z. B. den philosophischen Nagel und den gemüthsstarken, beredten Nieter. Allein im Uebrigen hatte das kirchliche Leben auf der liberalen Seite, wenn auch immer kräftiger und frischer als anderswo unter dem Con- fistorialjoch, doch bis vor einigen Jahren keinen rechten Zug. Erst als gleichzeitig mit der protestantischen Erhebung in Baden und der daran sich knüpfenden Gründung des Protestantenvereins (1863) mehrere Vacanzen durch talentvolle junge Geistliche ausgefüllt wurden, die man sich zum Theil aus weiter Ferne holte, namentlich aus der Schweiz, erwachte der Geist der Reform in den liberalen Massen, und das Halberstorbene kirchliche Leben begann in ihnen aufs neue gesund zu pulsiren. Der letzte dieser jungen Träger des Fortschrittsgedankens, Pastor Schwalb, war berufen, den Anstoß zu einem Wichtigen und entschiedenen Kampfe zu geben.
Dies freilich, ohne es im mindesten zu wollen und ohne es nur zu ahnen. Er hielt als einer der Redner, die die Vorträge im Bremer Protestantenverein während des Winters 1867/68 übernommen hatten, Anfang