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Der Frauentag in Berlin.
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die Leiterinnen des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in Leipzig zu'ihr stellen würden. Sie haben sich gleich im Beginn ihrer eifrigen Propaganda von einer compromittirenden männlichen Gemeinschaft loszusagen gehabt, und sind dabei zu dem radicalen Entschlüsse gelangt, es ganz ohne unmittelbaren Beistand von Männern zu versuchen. Bei starrer Festhaltung dieses Prin­cips hätten sie selbstverständlich in Berlin nicht erscheinen können. Doch haben sie während einer vierjährigen Agitation wohl erfahren, daß die sogenannte Frauen-Selbsthilfe, wenn selbst im engsten Kreise mitunter geboten oder heilsam, im weitesten Kreise und für eine große öffentliche Wirksamkeit doch nicht ausreicht. Sie beschlossen daher auf dem Kasseler Frauentage Anfangs October, zwei Abgeordnete nach Berlin zu senden, wozu die Wahl auf Frl. Auguste Schmidt und Frau Dr, (Soloschmidt siel. Dieser Griff hat sich als ein sehr glücklicher erwiesen. Ohne ihrem Verein etwas zu vergeben, sind die genannten beiden Damen der neuen größeren Verbindung mit dem besten Willen entgegenkommen. Frau Dr. Golvschmidt begann in der Vorbe­sprechung am 4. November mit einer wohlthuend bescheidenen Auslassung über die Stellung ihres Vereins Hu der Gesammtheit. Frl. Schmidt schloß die Verhandlungen am 6. November in demselben Geiste ab, als sie mit warmen Worten dem Prof. v. Holtzendorff für die Berufung und Leitung der Zusammenkunst dankte, obgleich und weil sie bisher an dem Princip der alleinigen Selbsthilfe der Frauen festgehalten habe. Der Eindruck dieses ver­söhnlichen Aufgehens in die neue Gemeinschaft war allerseits der günstigste.

Hoffentlich wird es möglich sein, daß der in Berlin gebildete Verband dieses Entgegenkommen dadurch erwidere, daß er dieNeuen Bahnen" in Leipzig, herausgegeben von Frau Louise Otto-Peters und Frl. Auguste Schmidt, zu seinem Correspondenz-Organ erhebt. Es bedarf allerdings dafür des Verzichts auf eine ganz unumschränkte Verfügung über Ton und Inhalt des Blattes, namentlich auf Einmischung irgendwelcher außerhalb des Vereinsgebiets liegen­der Tendenzen. Aber der erweiterte Wirkungskreis, die Gewinnung neuer werthvoller Kräfte für die Füllung seiner Spalten, der ganze erhöhte Charakter des Organs wird seine Stifterinnen für diese Resignation entschädigen. Sie entgehen dann auch der Gefahr, daß die Concurrenz eines neuzugründenden Verbands-Organs ihrem Blatt den Boden beenge. Die Sache der Vereine aber könnte andererseits durch Vervielfältigung der ihr dienenden Fachzeit­schriften kaum gewinnen.

Concentration der Kraft, Sammlung der zerstreuten Bestrebungen war allmälig zu einer Nothwendigkeit für diese Vereine geworden. Ohne sie würden sie auf die Dauer verkümmern. Die Hauptsache für diese Berliner Zusammen­kunft war daher, daß es gelinge, die Vereinigung zu einer dauernden zu machen, in weder zu strammen noch zu lockern Formen. Zweijährige wan-