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ganze moderne Entwickelung des schweizerischen Staatswesens auf die befreiende That des 16. Jahrhunderts zurückgeführt werden muß. Sondern Zwingli selbst, mit dem klaren Verstand, der sein ganzes Thun auszeichnet, hatte ein scharfes Auge für die politischen Schäden der Eidgenossenschaft, es fehlte ihm nicht an Talent, in die politischen Verhältnisse selbstthätig einzugreifen, und es ist ein ganz besonderes Verdienst des neuesten Biographen, auf Grund eines zum Theil erstmals benutzten urkundlichen Materials den innigen Zusammenhang nachgewiesen zu haben, in welchem Zwingli's Lebensarbeit mit den gleichzeitigen politischen Ereignissen Zürichs und der Schweiz stand.
Der tiefste Schaden des damaligen Schweizervolks war das Pensionswesen. Der vielgepriesene Freiheitsfinn des Schweizers verhinderte nicht, daß er sich die unrühmlichste Form der Knechtschaft gefallen ließ, das Söldner- thum. Von, Natur dem Kriegshandwerk geneigt, pflegte er sich in den Kriegen damaliger Zeit dem Meistbietenden zu vermiethen. Ackerbau und Industrie mußten darniederliegen bet einem Geschlecht, das durch den raschen Erwerb in fremden Ländern sich die Mittel zu einem gemächlichen Leben zu Hause verschaffte und das nichts Begehrenswertheres kannte, als prachtvolle Kleider und kostbare Geräthe und Gefäße. Als Zürich schon im Jahr 1508 einen ersten Versuch zur Abschaffung des Pensionswesens machte, erklärten die Edelleute, „sie können weder reuten noch hacken, und sie und ihre Kinder bedürfen zu ihrem Auskommen Herrendienste und Pensionen." Die natürliche Folge war eine wilde Rohheit und Lockerheit der Sitten, über die laute Klage geführt wurde, und auch die bundesgenössijche Gesinnung mußte leiden unter Verhältnissen, die nicht nur einen beständigen Wechsel der Herren mit sich brachten, sondern nicht selten die Schweizer in seindlichen Lagern einander gegenüberstellten.
Frühzeitig hatte Zwingli seine Blicke auf diese Verhältnisse gerichtet. Es geht dies aus dem „Fabelgedicht vom Ochsen und etlichen Thieren, den Lauf der Dinge begreifend" hervor, einem seiner ersten schriftstellerischen Versuche, aus dem Jahre 1610, worin er eben die politische Stellung der Schweiz unter den Umwerbungen der großen Mächte in allegorischer Form behandelt. Bald hatte er Gelegenheit, das Sölvnerwesen aus eigener Erfahrung kennen zu lernen. Er begleitet als Feldprediger seine Landsleute auf mehreren Zügen nach Italien, zuerst im Iahte 1512. In der ersten Zeit freilich überwiegt bei ihm, der selbst ein Sohn der Berge war, die Lust an der frischen Thatkraft und Tapferkeit seiner Volksgenossen, mit Behagen berichtet er von ihren treuen und redlichen Thaten, und es findet seine volle Billigung, daß die Eidgenossen damals dem Papst gegen den französischen König Beistand leisteten. Bei den späteren Zügen überwiegen aber die ungünstigen Ein-